Erstveröffentlichung am 02. August 2020, zuletzt aktualisiert am 09. August 2024. Autor: Dr. jur. Stephan Seitz
Urteil OLG Frankfurt: Ausgleichsforderung gegen den Nachlass für Pflegeleistungen
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Urteil OLG Frankfurt: Ausgleichsforderung des Miterben gegen den Nachlass für Pflegeleistungen
OLG Frankfurt, Urteil vom 07.02.2020 – 13 U 31/18
Bedeutung des Urteils
Wie hoch darf die Ausgleichsforderung eines Kindes gegen den Nachlass der Mutter sein, wenn er sie über viele Jahre über den „normalen“ Aufwand hinaus gepflegt hat und damit das Vermögen der dementen Erblasserin geschont hat. Das Gericht hielt die Summe von 40.000 € für Pflegeleistungen nach § 2057a BGB für angemessen.
Inhaltsverzeichnis: Darum geht es auf dieser Seite
Mein Name ist Stephan Seitz, ich bin Jurist und war vor wenigen Jahren selbst Teil einer Erbengemeinschaft. Dabei wurde mir klar: Miterben wollen keinen Streit, sondern eine Lösung. Alles was Sie dafür wissen müssen, schreibe ich hier auf. Mehr zu meiner Person.
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Sachverhalt
Die Parteien streiten darum, ob dem Beklagten zu 1) Forderungen in Höhe von 40.000,00 € (Pflegekosten) und – zuletzt – 324,00 € (Friedhofsunterhaltungsgebühren) gegen den Nachlass ihrer am XX.XX.2016 verstorbenen Mutter A (nachfolgend „Erblasserin“) zustehen, deren Erben zu je ¼ sie sind.
Der Beklagte zu 1) pflegte die Erblasserin vom 1.1.2006 bis zu ihrem Tod, zunächst in ihrer eigenen Wohnung und ab Oktober 2009 im Haushalt des Beklagten zu 1). Unterstützung erhielt er hierbei von seiner Familie und vom ambulanten Pflegedienst „B“. Solange die Erblasserin in ihrer eigenen Wohnung lebte, war zudem eine Haushaltshilfe für sie tätig. Etwa ab dem Zeitpunkt des Umzugs litt die Erblasserin an ausgeprägter Demenz. Für den Zeitraum 1.1.2006 bis 31.12.2009 erkannte die Pflegeversicherung der Erblasserin die Pflegestufe I an, für den Zeitraum 1.1.2010 bis 31.12.2012 die Pflegestufe II und vom 1.1.2013 bis zum Tod der Erblasserin die Pflegestufe III (vgl. Bl. 36 d. A.). Das Pflegegeld zahlte die Pflegeversicherung an den Beklagten zu 1) als Pflegeperson aus. Die Erblasserin erhielt überdies eine monatliche Rente von rund 400,00 €. Der Nachlass der Erblasserin hat einen Wert von rund 166.000,00 €.
Hinsichtlich des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im Übrigen und der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 230 ff. d. A.) Bezug genommen.
Mit am 12.12.2017 verkündetem Urteil (Bl. 199 ff. d. A.), den Klägern zugestellt am 30.1.2018, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Im Rahmen der Entscheidungsgründe hat es im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Die Klage sei mutmaßlich zum überwiegenden Teil bereits unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Die gegen die Beklagte zu 2) gerichteten Feststellungsanträge seien mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Der Feststellungsantrag zu 2) sei unbegründet, soweit Ansprüche bis Mai 2026 betroffen seien, für den Folgezeitraum bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis. Die Erblasserin habe die Wahlgrabstätte mit einem fest vereinbarten Nutzungszeitende am 30.5.2016 erworben, damit bestehe bis zu diesem Zeitpunkt eine Schuld der Erblasserin, die auf der Passivseite des Nachlasses zu berücksichtigen sei. Soweit der Beklagte zu 1) entsprechende Ansprüche der Gemeinde befriedigt habe, müssten sich die anderen Erben hieran gemäß ihres Erbteils beteiligen. Im Übrigen sei die Verlängerung der Nutzungszeit ab dem Erbfall einvernehmlich erfolgt, so dass die entsprechenden Kosten von den Erben zu tragen seien. Schließlich sei auch der Feststellungsantrag zu 1) gegenüber dem Beklagten zu 1) unbegründet. Aufgrund der Beweisaufnahme stehe fest, dass dem Beklagten zu 1) wegen der gegenüber der Erblasserin erbrachten Pflegeleistungen ein Ausgleichsanspruch gemäß § 2057a BGB zustehe. Der Beklagte zu 1) bzw. dessen Familie hätten die Erblasserin über 10 Jahre gepflegt, wobei diese Leistung nicht durch ein angemessenes Entgelt ausgeglichen worden sei. Der Höhe nach sei der Ausgleichsanspruch weit oberhalb der seitens des Beklagten zu 1) geforderten 40.000,00 € anzusiedeln, so dass er selbst dann in der geforderten Höhe bestehe, wenn eine Minderung der Erbmasse um 16.000,00 € zu berücksichtigen wäre. Es entspreche auch der Billigkeit, dem Beklagten zu 1) den geltend gemachten Ausgleichsanspruch zuzusprechen, da dieser während eines ganzen Jahrzehnts die zunächst stark erkrankte und später dement werdende Erblasserin unter Dauerstress rund um die Uhr versorgt habe. Wegen weiterer Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf Bl. 203 ff. d. A. Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 23.2.2018 (Bl. 229 f. d. A.), eingegangen bei Gericht am 26.2.2018, eingelegte und mit Schriftsatz vom 28.3.2018 (Bl. 254 ff. d. A.), eingegangen bei Gericht am selben Tag, begründete Berufung der Kläger.
Die Kläger tragen vor: Die Feststellungsanträge seien zulässig. Eine Erbschaftsteilungsklage setze die Teilungsreife des Nachlasses voraus. Dies bedinge, dass der zu teilende Nachlass auf der Aktiv- und auf der Passivseite unstreitig feststehen müsse. Sei dies, wie vorliegend, offenkundig nicht der Fall, bedürfe es zur Vorbereitung der Teilungsreife einer entsprechenden Feststellungsklage. Diese sei auch gegenüber der Beklagten zu 2) zulässig. Der Nachlass sei nur dann teilungsreif, wenn dies von allen Erben anerkannt werde oder gegenüber allen Erben, z.B. durch eine Gerichtsentscheidung, verbindlich festgelegt werde. Die Beklagte zu 2) habe mit ihrer Erklärung bezüglich der 10.000,00 € nicht bestätigt, dass dem Beklagten zu 1) der von ihm reklamierte Nachlassanspruch über 40.000,00 € und die Friedhofsunterhaltungsgebühren nicht zustünden. Im Gegenteil habe die Beklagte zu 2) noch eine einvernehmliche Teilerbauseinandersetzung erreichen wollen. Sie habe mit Anwaltsschreiben vom 8.12.2016 mitgeteilt, dass sie um Entlassung aus der Erbengemeinschaft nachsuche, indem ihr von dem gemeinsamen Konto ein Betrag von 31.500,00 € und an den Beklagten zu 1) ein Betrag von 10.000,00 € ausgezahlt werden solle. Sie habe auch gerade keine Erklärung hinsichtlich der Teilungsreife des Nachlasses entsprechend dem Antrag der Kläger abgegeben. Hinsichtlich der Beklagten liege ein Fall der notwendigen Streitgenossenschaft vor.
Im Hinblick auf die Friedhofsunterhaltungsgebühren sei festzuhalten, dass das Nutzungsrecht an der Grabstätte nicht zum Nachlass gehört haben könne, weil eine Friedhofssatzung erbrechtliche Regelungen nicht außer Kraft setzen könne. Der Beklagte zu 1) sei mit der Übernahme des Nutzungsrechts kraft Satzung Gebührenschuldner der Friedhofsunterhaltungsgebühren geworden. Demzufolge könne der Nachlass nicht mit dieser Forderung belastet sein.
Die Ausführungen des Landgerichts zu der Ausgleichsforderung des Beklagten zu 1) wegen Pflegeleistungen überzeugten nicht. Der Beklagte zu 1) habe sich durch die Vermietung der Wohnung, die über der von der Erblasserin genutzten Wohnung gelegen habe, vertragswidrig bereichert, denn die Erblasserin habe hierzu nicht die nach dem notariellen Übergabevertrag vom 10.6.1992 erforderliche Zustimmung erteilt. Der § 2057a BGB gehe jedoch erkennbar nicht davon aus, dass einem Abkömmling Ansprüche aus dem Erbe zustehen sollen, wenn er sich zuvor zu Lasten des Erblassers rechtswidrig bereichert habe. Die vereinnahmten Mieten seien auf den Ausgleichsanspruch anzurechnen.
Die Erblasserin habe im Übrigen vom 1.1.2006 bis zu ihrem Ableben Leistungen aus der Pflegeversicherung erhalten. Die Leistungen aus der Pflegeversicherung habe der Beklagte zu 1) – was zwischen den Parteien unstreitig ist – aufgrund der ihm von der Erblasserin erteilten Generalvollmacht abgerufen und mit dem Pflegedienst „B“ abgerechnet. Die konkreten Zahlungsflüsse habe der Beklagte zu 1) jedoch nicht offengelegt. Die Entnahmen von dem Konto der Erblasserin bei der Bank1 ergäben, dass die Kosten des Pflegedienstes „B“ vom Konto der Erblasserin beglichen worden seien. Der Beklagte zu 1) habe auch nicht dargelegt, dass er seine Taschengeldzahlungsverpflichtung aus dem Übergabevertrag erfüllt habe. Es fehle auch Vortrag zu der Höhe der Kosten, die für die Haushaltshilfe der Erblasserin angefallen seien, wobei unstreitig sei, dass diese allein im Interesse der Erblasserin angefallen seien. Der Beklagte zu 1) habe auch nicht erklärt, dass er diese Kosten aus seinem eigenen Vermögen beglichen habe. Insgesamt sei davon auszugehen, dass die Einnahmen der Erblasserin im fraglichen Zeitraum höher als ihre Ausgaben gewesen seien. Das Kontoguthaben der Erblasserin habe sich im Zeitraum 2006 bis 2016 um 16.000,00 € verringert, da nur der Beklagte hierüber eine Vollmacht gehabt habe, habe er zwangsläufig über diesen Betrag verfügt.
Darüber hinaus fehle Vortrag des Beklagten, was er für die in seinem Haushalt lebende Erblasserin konkret gemacht habe. Möglicherweise habe er nur gelegentlich mal eine Windel gewechselt oder die Erblasserin geduscht.
Nachdem die Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 29.11.2019 den weitergehenden Berufungsantrag zu 2) zurückgenommen haben (vgl. Protokoll Bl. 309 d. A.), beantragen sie zuletzt,
unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Darmstadt – 13 O 18/17 vom 12.12.2017, zugestellt 30.1.2018, festzustellen, dass gegen den Nachlass der am XX.XX.2016 in Stadt1 verstorbenen A
1. keine Forderung des Beklagten zu 1) in Höhe von 40.000,00 € besteht,
2. keine Forderung für Friedhofsunterhaltungsgebühren der Stadt1 für den Zeitraum 2016 bis 2018 in Höhe von 324 € (3 x 108,00 €) besteht.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags. Ergänzend führen sie aus: Bei den Friedhofsunterhaltungsgebühren handele es sich um eine Erblasserschuld, denn die Erblasserin habe die Nutzungszeit bis zum 30.5.2026 fest vereinbart. Eine Kündigung vor diesem Zeitpunkt sei nicht möglich gewesen. Weshalb mit dem Tod der Erblasserin eine entsprechende Nutzungsberechtigung des Wahlgrabes entfallen sollte, erschließe sich nicht. Im Gegenteil liege die Erblasserin gerade in diesem Grab.
Die vereinnahmten Mieten seien nicht auf den Ausgleichsanspruch nach § 2057a BGB anzurechnen, weil die vermietete Dachgeschosswohnung nicht vom Wohnrecht der Erblasserin umfasst sei. Im Übrigen sehe der Übergabevertrag bei einem Verstoß gegen das Zustimmungserfordernis (lediglich) die Rückübertragung des übertragenen Grundbesitzes vor, was von der Erblasserin nicht verlangt worden sei. In keinem Fall stünden der Erblasserin die aus der Dachgeschosswohnung gezogenen Nutzungen zu. Zu dem Zeitpunkt der Vermietung sei die Erblasserin nicht mehr in der Lage gewesen, eine entsprechende Zustimmung zu erteilen, auf die der Beklagte zu 1) allerdings einen Anspruch gehabt hätte. Die ursprüngliche Intention der Klausel sei gewesen, keinen Fremden in dem von der eigenen Familie bewohnten Haus dulden zu müssen, was sich durch den Umzug der Erblasserin in die Wohnung des Beklagten zu 1) ohnehin erledigt habe.
Die Beweisaufnahme habe den Ausgleichsanspruch des Beklagten zu 1) vollumfänglich belegt. Die Pflege der Erblasserin habe bei weitem nicht mit dem monatlichen Betrag von 900,00 € (Rente und Taschengeld aus dem Übergabevertrag) und dem von der Pflegekasse geleisteten Pflegegeld finanziert werden können. Alleine die Haushaltshilfe habe von Januar 2006 bis Mai 2009 einen Betrag von zunächst 750,00 € und sodann 850.00 € monatlich sowie freie Kost und Logis erhalten. Sie sei von dem Taschengeld der Erblasserin bezahlt worden, den überschießenden Betrag habe der Beklagte zu 1) übernommen. Ab Juni 2009 seien die Taschengeldzahlungen im Einvernehmen mit der Erblasserin mit den durch den Beklagten zu 1) gewährten Sachleistungen verrechnet worden. Das Vermögen der Erblasserin sei während der zehn Jahre Pflegebedürftigkeit im Wesentlichen erhalten worden (vgl. Anlagen B 7 ff./Bl. 66 ff. d. A.).
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidung
1. Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Kläger hat in der Sache keinen Erfolg.
a) Die gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Feststellungsklage ist bereits unzulässig. Die im Streitfall erhobene Feststellungsklage dient der Vorbereitung einer Erbteilungsklage zum Zweck des Zugriffs auf den Nachlass. Ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis besteht jedoch nur gegenüber dem der begehrten Auseinandersetzung widersprechenden Miterben (MüKoBGB/Ann, 8. A. 2020, § 2042 Rn. 60; Palandt/Weidlich, BGB, 78. A. 2019, § 2059 Rn. 11). Die Beklagte zu 2) hat sich der seitens der Kläger begehrten Auseinandersetzung nicht widersetzt. Insbesondere ergibt sich ein derartiger Widerstand nicht aus dem Schreiben der Beklagten zu 2) vom 28.11.2016 (Bl. 19 d. A.), in dem sie sich damit einverstanden erklärt, dass von ihrem Erbteil ein Betrag von 10.000,00 € zum Ausgleich der Pflegeleistungen des Beklagten zu 1) abgezogen wird. Die Beklagten zu 1) und 2) sind auch nicht etwa notwendige Streitgenossen (MüKoBGB/Ann, 8. A. 2020, § 2042 Rn. 61; Palandt/Weidlich, BGB, § 2059 Rn. 11, 74).
b) Die gegen den Beklagten zu 1) erhobene Feststellungsklage ist zwar zulässig, insbesondere ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Miterbe zum Zweck der Auseinandersetzung eine Klage auf Feststellung einzelner Streitpunkte erheben kann, wenn eine solche Feststellung der sinnvollen Klärung der für die Auseinandersetzung maßgebenden Grundlagen dient (BGH, Urt. v. 27.6.1990, IV ZR 104/89, juris Rn. 9). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, denn die begehrte Feststellung wäre geeignet, die Auseinandersetzung erheblich zu entlasten. Die Feststellungsklage ist jedoch unbegründet, denn dem Beklagten zu 1) stehen die streitgegenständlichen Forderungen gegen den Nachlass zu, deren Nichtbestehen die Kläger festgestellt wissen wollen.
aa) Dem Beklagten zu 1) steht eine Forderung gegen den Nachlass in Höhe von 324,00 € für die von ihm für den Zeitraum 2016 bis 2018 an die Stadt1 gezahlten Friedhofsunterhaltungsgebühren zu. Zwar sind die Rechtsausführungen der Kläger zutreffend, dass nach dem Tod der Erblasserin das Nutzungsrecht an der Wahlgrabstätte gemäß § 21 Abs.10 der Friedhofssatzung der Stadt1 auf den Beklagten zu 1) übergegangen ist und dieser mithin öffentlich-rechtlicher Gebührenschuldner im Sinne von § 2 Abs. 2 der Gebührensatzung geworden ist. Davon unabhängig ist jedoch die Frage zu beurteilen, ob der Beklagte zu 1) einen Rückgriffsanspruch für die gezahlten Friedhofsunterhaltungsgebühren gegenüber dem Nachlass hat. Ein solcher ergibt sich zwar nicht daraus, dass die Friedhofsunterhaltungsgebühren als Beerdigungskosten im Sinne von § 1968 BGB zu bewerten sind, denn Beerdigungskosten sind nur solche, die die erstmalige Herrichtung der Grabstätte betreffen (BGH, Urt. v. 20.9.1973, III ZR 148/71, juris Rn. 2; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urt. v. 6.10.2009, 3 U 98/08, juris Rn. 32). Angesichts des Umstandes, dass die Erblasserin in der betreffenden Grabstätte beerdigt worden ist, begründet die Nichtausübung des Verzichtsrechts auf das Nutzungsrecht gemäß § 21 Abs. 10 Satz Satz 7 durch den Beklagten zu 1) aber eine Nachlasserbenschuld (vgl. zum Begriff MüKoBGB/Küpper, 8. A. 2020, § 1967 Rn. 17), die der Beklagte zu 1) bei der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses eingegangen ist, so dass ihm im Innenverhältnis ein entsprechender Ersatzanspruch nach § 1978 Abs. 3 BGB gegenüber dem Nachlass zusteht (vgl. Palandt/Weidlich, BGB, 78. A. 2019, § 1967 Rn. 8). Da sich die Forderung gegen den ungeteilten Nachlass richtet, muss der Beklagte zu 1) seinen Anspruch auch nicht um seinen eigenen Erbteil kürzen.
bb) Dem Beklagten zu 1) steht darüber hinaus eine Ausgleichsforderung gemäß 2057a BGB in Höhe von 40.000,00 € gegenüber dem Nachlass zu. Nach § 2057a Abs. 1 S. 1 und 2 BGB kann ein Abkömmling, der den Erblasser während längerer Zeit gepflegt und dadurch in besonderem Maße dazu beigetragen hat, das Vermögen des Erblassers zu erhalten oder zu vermehren, bei der Auseinandersetzung eine Ausgleichung unter Abkömmlingen verlangen, die mit ihm als gesetzliche Erben zur Erbfolge gelangt sind.
Der Beklagte zu 1) hat von Juni 2006 bis zu ihrem Tod Pflegeleistungen gegenüber der Erblasserin erbracht. Unter Pflegeleistungen im Sinne von § 2057a BGB sind jedenfalls solche Leistungen zu verstehen, die im Rahmen des Begriffs der Pflegebedürftigkeit in § 14 SGB XI aufgeführt werden (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urt. v. 22.11.2016, 3 U 25/16, juris Rn. 56), also etwa Hilfe im Bereich der Körperpflege, der Ernährung, der Mobilität und der hauswirtschaftlichen Versorgung. Auch die bloße Anwesenheit des Abkömmlings kann als Teil der Pflegeleistung anzusehen sein, soweit er etwa für Gespräche oder für die Sicherheit des Pflegebedürftigen im Fall plötzlich notwendig werdender Hilfe zur Verfügung steht (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urt. v. 22.11.2016, 3 U 25/16, juris Rn. 58). Das Landgericht hat zu Recht den Vortrag des Beklagten zu 1), er habe die Erblasserin umfassend gepflegt, als hinreichend substantiiert bewertet und hierüber Beweis erhoben. Soweit die Kläger rügen, der Beklagte zu 1) habe nicht konkret vorgetragen, welche Pflegeleistungen er im Einzelnen wann erbracht habe, vermag dies ihrer Berufung nicht zum Erfolg zu verhelfen. Dass die Erblasserin ab Juni 2006 pflegebedürftig war, ist nämlich zwischen den Parteien unstreitig und ergibt sich im Übrigen auch aus der Einstufung der Erblasserin in die Pflegestufe I vom 1.1.2006 bis 31.12.2009, die Pflegestufe II vom 1.1.2010 bis 31.12.2012 und die Pflegestufe III vom 1.1.2013 bis XX.XX.2016 durch die Pflegeversicherung (vgl. Bl. 36. d. A.). Damit reicht es aus, wenn der Beklagte behauptet, er habe hauptverantwortlich – mit Unterstützung seiner Familie und teilweise einer Haushaltshilfe bzw. des ambulanten Pflegedienstes – die gesamte Pflege der Erblasserin übernommen, einer Auflistung der einzelnen Pflegetätigkeiten bedarf es nicht. Die Beweisaufnahme hat darüber hinaus ohne jeden Zweifel ergeben, dass der Beklagte zu 1) die behaupteten Pflegeleistungen gegenüber der Erblasserin auch tatsächlich erbracht hat. Der Senat schließt sich insofern vollumfänglich der Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf Bezug. Insbesondere hebt das Landgericht zu Recht hervor, dass die starke Demenzerkrankung der Erblasserin spätestens ab dem Umzug der Erblasserin in die Wohnung des Beklagten zu 1) – nicht zuletzt aus Sicherheitsgründen – eine vollständige Betreuung und permanente Überwachung der Erblasserin erfordert hat, die der Beklagte zu 1) mit zeitweiser Unterstützung seiner Familie, des Pflegedienstes und einer Haushaltshilfe sichergestellt hat.
Die vom Beklagten zu 1) erbrachten Pflegeleistungen haben sich auch über einen längeren Zeitraum erstreckt und in besonderem Maße dazu beigetragen, das Vermögen der Erblasserin zu erhalten. Insofern ist anerkannt, dass die Unterstützungsleistung in zeitlicher Hinsicht deutlich über das hinausgehen muss, was von anderen Erben erbracht worden ist (OLG Frankfurt, Urt. v. 19.3.2013,11 U 134/11, juris Rn. 9). Auszugleichen sind mithin überobligatorische Leistungen, das im Rahmen einer normalen Eltern-Kind-Beziehung Geleistete kann nicht zurückgefordert werden (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urt. v. 22.11.2016, 3 U 25/16, juris Rn. 46). Die Anforderungen an die Substantiierung des entsprechenden Vortrags dürfen aufgrund der familiären Sondersituation nicht übersteigert werden (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urt. v. 22.11.2016, 3 U 25/16, juris Rn. 47). Im Streitfall liegen solche überobligatorischen Leistungen des Beklagten zu 1) ohne jeden Zweifel vor. Der Beklagte zu 1) hat sich unstreitig um die Erblasserin von Juni 2006 bis Oktober 2009 in deren Wohnung gekümmert und sie sodann – in einem Zustand vollständiger Hilflosigkeit aufgrund ihrer weit fortgeschrittenen Demenz – rund weitere sieben Jahre in seine eigene Wohnung aufgenommen und dort gepflegt. Allein aufgrund des Gesundheitszustands der Erblasserin steht damit bereits fest, dass eine erheblich gesteigerte Pflege und Versorgung erforderlich war, die ihrer Intensität nach über normale Unterstützungsleistungen im Rahmen einer Eltern-Kind-Beziehung hinausgeht (vgl. BGH, Urt. v. 8.3.2006, IV ZR 263/04, juris Rn. 35). Nichts anderes hat im Übrigen die Beweisaufnahme ergeben: Die hierzu vom Landgericht vernommenen Zeugen E, C und D haben vielmehr einhellig bestätigt, dass die Erblasserin bereits vor ihrem Einzug in den Hausstand des Beklagten zu 1) in erheblichem Maße pflegebedürftig war und ab dem Umzug rund um die Uhr betreut werden musste, was der Beklagte zu 1) gemeinsam mit seiner Familie bewältigt hat (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 29.8.2017, Bl. 160 ff. d. A.: „…es musste von morgens früh bis abends spät permanent nach ihr geschaut werden.“; „Das war so eingerichtet, dass immer irgendjemand aus der Familie da war und nach der Oma gesehen hat.“; „…dass wir uns 24 Stunden um die Oma gekümmert haben, das war von Anfang an so, als sie zu uns zog.“; „Sie bedurfte meiner Einschätzung nach bereits damals einer Rund-um-die-Uhr-Betreuung.“; „Ich selbst habe gesehen, wie E und F sie quasi rund um die Uhr gepflegt haben.“).
Die Pflegeleistungen des Beklagten zu 1) haben auch im Sinne des § 2057a BGB zur Erhaltung des Erblasservermögens beigetragen. Eine Erhaltung des Erblasservermögens kann auch in Gestalt einer Ersparnis der Beträge liegen, die – auch bei fiktiver Gegenrechnung von Leistungen der Pflegeversicherung – zusätzlich aus dem Erblasservermögen für eine professionelle Pflege oder gar für eine Heimunterbringung hätten ausgegeben werden müssen. (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urt. v. 22.11.2016, 3 U 25/16, juris Rn. 48). Im Streitfall haben die Pflegeleistungen des Beklagten zu 1) der Erblasserin – insbesondere seit ihrem Umzug in den Hausstand des Beklagten zu 1) – in erheblichem Umfang eigene Aufwendungen für eine professionelle Pflege und eine Heimunterbringung erspart. Insofern kommt es – entgegen der Ansicht der Kläger – nicht darauf an, in welcher konkreten Höhe Kosten für weitere Pflegeleistungen, namentlich für die Haushaltshilfe oder für den Pflegedienst B angefallen sind, die von dem Konto der Erblasserin beglichen worden sind. Denn es ist unstreitig, dass weder die Haushaltshilfe, die ohnehin nur während des Zeitraums tätig war, in dem die Erblasserin noch in ihrer eigenen Wohnung gelebt hat, noch der Pflegedienst B die erforderliche Rund-um-die-Uhr-Betreuung der Erblasserin sichergestellt haben, so dass in erheblichem Maße weitere Pflegeleistungen durch den Beklagten zu 1) und seine Familie erforderlich waren und erbracht worden sind, die bei professioneller Ausführung auch hätten bezahlt werden müssen. Soweit die Kläger meinen, dem Erblasservermögen seien keine Aufwendungen erspart worden, weil der Beklagte zu 1), der aufgrund seiner Generalvollmacht Zugriff auf das Erblasservermögen gehabt habe, die Ausgaben der Erblasserin mit ihren eigenen Einnahmen (Rente, Pflegegeld und Taschengeld) beglichen habe, ändert dies nichts daran, dass sie jedenfalls für die seitens des Beklagten zu 1) erbrachten Pflegeleistungen keinerlei Aufwendungen hatte. Da die Erblasserin aufgrund ihrer völligen Hilflosigkeit ab spätestens 2009 in einem Pflegeheim hätte untergebracht werden müssen, wenn der Beklagte zu 1) sie nicht in seine Wohnung aufgenommen hätte, sind dem Erblasservermögen insbesondere die Kosten für eine Heimunterbringung erspart worden.
Angesichts der erheblichen Dauer und des erheblichen Umfangs der seitens des Beklagten zu 1) erbrachten Pflegeleistungen ist die Zuerkennung des geforderten Ausgleichungsbetrags von 40.000,00 € gerechtfertigt. Für die Festlegung der Höhe des Ausgleichungsbetrags nach § 2057 a Abs. 3 BGB sind keine detaillierten Einzelfeststellungen erforderlich, sondern es ist eine Gesamtschau vorzunehmen und der Betrag nach Gesichtspunkten der Billigkeit festzulegen (Staudinger/Löhnig, BGB, Stand 2016, § 2057a, Rn. 25). Zu berücksichtigen sind die Dauer und der Umfang der auszugleichenden Leistung, insbesondere der Leistungszeitraum insgesamt, der tägliche Aufwand und die Höhe der dem Erblasser überlassenen Geldmittel (Staudinger/Löhnig, BGB, Stand 2016, § 2057a, Rn. 25 ff.). Einzustellen ist außerdem der immaterielle Wert der Pflege für den Erblasser. Die Ausgleichung für den pflegenden Abkömmling kann deshalb durchaus höher ausfallen als der in Geld ausgedrückte Wert, um den diese Leistungen das Vermögen des Erblassers erhalten haben (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urt. v. 22.11.2016, 3 U 25/16, juris Rn. 48). Ferner ist in die Erwägungen einzubeziehen, in welchem Umfang der Nachlass erhalten wurde, sowie die Vermögensinteressen der weiteren Erben und die Höhe des Nachlasses. Der Ausgleichungsbetrag darf insbesondere nicht den Wert des gesamten Nachlasses erreichen (Staudinger/Löhnig, BGB, Stand 2016, § 2057a, Rn. 28 f.).
Allein bei Zugrundelegung des Zeitraums von Oktober 2009 bis zum Tod der Erblasserin im … 2016 steht dem Beklagten zu 1) der geforderte Ausgleichungsbetrag von 40.000,00 € zu. Der Beklagte zu 1) hat die Erblasserin in dem vorgenannten Zeitraum 81 Monate in seiner Wohnung gepflegt. Für die Bestimmung des täglichen Zeitaufwandes für die Pflege können grundsätzlich die Pflegestufen herangezogen werden: Nach der Definition der Pflegestufen setzt die Einstufung in Pflegestufe I erhebliche Pflegebedürftigkeit mit einem durchschnittlichen täglichen Zeitaufwand von mindestens 90 Minuten voraus, die Einstufung in Pflegestufe II Schwerpflegebedürftigkeit mit einem durchschnittlichen täglichen Zeitaufwand von mindestens drei Stunden und in Pflegestufe III Schwerstpflegebedürftigkeit mit einem durchschnittlichen täglichen Zeitaufwand von mindestens fünf Stunden (Staudinger/Löhnig, BGB, Stand 2016, § 2057a, Rn. 17). Bei der Erblasserin ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass sie ab dem Umzug in die Wohnung des Beklagten zu 1) unter ausgeprägter Demenz litt, so dass sie permanenter Aufsicht bedurfte, was ebenfalls als Pflegeleistung zu berücksichtigen ist. Der tägliche Pflegeaufwand des Beklagten zu 1) ist damit – auch unter Berücksichtigung der Hilfe der Familienmitglieder und des Pflegedienstes – von Oktober 2009 bis Dezember 2012 auf vier Stunden täglich und danach auf sechs Stunden täglich zu schätzen.
Der Beklagte zu 1) hat durch die Pflege der Erblasserin auch dazu beigetragen, den Wert des Nachlasses zu erhalten. Hätte der Beklagte zu 1) die Erblasserin nicht bei sich aufgenommen, hätte sie in ein Pflegeheim ziehen müssen. Ausweislich der Pflegestatistik für das Jahr 2009 des Statistischen Bundesamts sind die durchschnittlichen Heimkosten für Pflegebedürftige der Pflegestufe II mit rund 2.400,00 € im Monat und für Pflegebedürftige der Pflegestufe III mit rund 3.000,00 € im Monat anzusetzen. Der hierauf entfallende Eigenanteil der Erblasserin ist – unter Orientierung am Bundesdurchschnitt – auf 1.600,00 € zu schätzen. Wenn die Erblasserin hierfür ihre Eigenmittel (Rente und Taschengeld aus dem Übergabevertrag) in Höhe von insgesamt rund 900,00 € vollumfänglich eingesetzt hätte, wäre ein Betrag von 700,00 €/Monat verblieben, mithin für die gesamten 81 Monate ein Betrag von 56.700,00 €, der aus dem Vermögen der Erblasserin hätte beglichen werden müssen. Dieser Betrag übersteigt selbst dann noch die seitens des Beklagten zu 1) geforderten 40.000,00 €, wenn man zugunsten der Kläger unterstellt, dass zusätzlich ein Betrag von 16.000,00 € aus dem Vermögen der Erblasserin für die Kosten der Pflege aufgewendet worden ist. Hierbei sind die durch die Pflegetätigkeit bedingten Einkommenseinbußen des Beklagten zu 1) in seiner selbständigen Tätigkeit als Fahrlehrer, die aufgrund der Beweisaufnahme jedenfalls dem Grunde nach feststehen, auch wenn ihre Höhe schwer zu beziffern ist, sowie der immaterielle Wert der Pflege für die Erblasserin und die vom Beklagten zu 1) im Rahmen des Umzugs der Erblasserin angefallenen Umbaukosten (z.B. für die abschließbare Tür zum Treppenhaus) noch gar nicht berücksichtigt. Ebenfalls nicht berücksichtigt sind die rund 45 Monate, die der Beklagte zu 1) die Erblasserin vor ihrem Umzug in sein Haus in ihrer eigenen Wohnung gepflegt hat. Da der Bemessung des Ausgleichungsbetrags nur der Eigenanteil der Erblasserin zugrunde gelegt wird, spielt es auch keine Rolle, in welcher Höhe die Erblasserin Pflegegelder und Pflegesachleistungen bezogen hat. Der Betrag von 40.000,00 € erscheint auch im Hinblick auf den Gesamtwert des Nachlasses von rund 166.000,00 € gerechtfertigt.
Schließlich sind – entgegen der Ansicht der Kläger – von dem Ausgleichungsbetrag nach § 2057a BGB nicht etwaige Mieteinnahmen des Beklagten zu 1) für die Vermietung einer Wohnung des im Rahmen des Übergabevertrags vom 10.6.1992 übergebenen Grundbesitzes abzusetzen, so dass es nicht darauf ankommt, ob der Beklagte zu 1) diese – wie die Kläger behaupten – unter Verstoß gegen das Zustimmungserfordernis aus dem Übergabevertrag vom 10.6.1992 erzielt hat. Derartige Mieteinnahmen stehen nämlich in keinerlei Zusammenhang zu der Pflegeleistung des Beklagten zu 1), insbesondere hat er diese nicht etwa als Entgelt hierfür erhalten.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.
4. Eine Zulassung der Revision ist nicht geboten, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Revisionsgerichts weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 543 Abs. 2 ZPO).
5. Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach §§ 47, GKG, 3 ZPO.
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