Vorausvermächtnis: Besondere Zuwendung des Erblassers
2 Minuten sinnvoll investierte Lesezeit- Mit dem Vorausvermächtnis kann der Erblasser einem Erben einen bestimmten Gegenstand aus der Erbschaft zukommen lassen
- Im Gegensatz zum reinen Vermächtnis wird der zugewendete Gegenstand hier nicht auf den Erbteil angerechnet, er wird zusätzlich gewährt
- Das Gesetz kennt zwei besondere Vorausvermächtnisse: den Voraus und den Dreissigsten
Inhaltsverzeichnis: Darum geht es auf dieser Seite
Mein Name ist Stephan Seitz, ich bin Jurist und war vor wenigen Jahren selbst Teil einer Erbengemeinschaft. Dabei wurde mir klar: Miterben wollen keinen Streit, sondern eine Lösung. Alles was Sie dafür wissen müssen, schreibe ich hier auf. Mehr zu meiner Person.
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Die zwei Varianten des Vorausvermächtnisses
Mit einem Vermächtnis beabsichtigt der Erblasser in einem Testament, einer dritten Person einen Vermögensvorteil zukommen zu lassen. Der spezielle Fall eines „Vorausvermächtnisses“ liegt üblicherweise vor, wenn der Erblasser einem Miterben innerhalb einer Erbengemeinschaft über seinen Erbteil hinaus einen Vermögensvorteil zuwenden möchte (§ 2150 BGB).
Variante 1: Erbe ist Miterbe
Zweck ist, dass der Erblasser einen von mehreren Erben innerhalb einer Erbengemeinschaft gegenüber den anderen bevorzugen und ihm einen bestimmten Gegenstand oder Vermögenswert zuwenden möchte. Entscheidend dabei ist, dass das Vorausvermächtnis dem begünstigten Erben nicht auf seinen Erbteil angerechnet wird. Typisches Beispiel ist, dass eines von mehreren Kindern den Erblasser in den letzten Jahren seines Lebens betreut und versorgt hat und dafür besondere Anerkennung erfahren soll.
Variante 2: Erbe ist Alleinerbe
Aber auch der Alleinerbe kann Nutznießer eines Vorausvermächtnisses sein. Relevant wird dieser Umstand, wenn der Erblasser einen Vorerben und einen Nacherben bestimmt hat. Der Vorerbe erbt den Nachlass nur auf Zeit und muss ihn bei Eintritt des vom Erblasser definierten Nacherbfalls (z.B. Tod des Vorerben, Wiederheirat des Ehegatten) an den Nacherben übergeben. Im Nacherbfall hat der Nacherbe dann keinen Anspruch auf den Gegenstand des Vorausvermächtnisses (§ 2110 Abs. II BGB). Der Vorerbe wird bereits mit Eintritt des Vorerbfalls Eigentümer des vermachten Gegenstandes und bleibt es auch dann, wenn der Nacherbfall eintritt. Vor allem ist der Vorerbe in Bezug auf den Vermächtnisgegenstand von den Verfügungsbeschränkungen, denen ein Vorerbe typischerweise unterliegt, befreit. So darf ein Vorerbe beispielsweise nur die Mieterträge aus einem Mietshaus vereinnahmen, darf es aber nicht verkaufen. Ist ihm das Mietshaus als Vorausvermächtnis zugewendet, kann er mit dem Haus tun und lassen, was er möchte.
Unterschied Vorausvermächtnis zur Teilungsanordnung
Im Gegensatz dazu steht die vom Erblasser im Testament oder Erbvertrag bestimmte Teilungsanordnung zur Aufteilung des Nachlasses unter den Miterben. In diesem Fall muss sich jeder Miterbe den Wert des ihm zugedachten Vermögensvorteils auf seinen Erbteil anrechnen lassen. Im Zweifelsfall muss durch Auslegung des Testaments oder Erbvertrages ermittelt werden, worauf der Wille des Erblassers gerichtet war. Entscheidend ist, ob er einem der Erben einen besonderen Vermögensvorteil zukommen und ihn gegenüber den anderen bevorzugen wollte. Lässt sich eine solche Absicht feststellen, liegt ein Vorausvermächtnis vor, fehlt diese Absicht, handelt es sich um eine Teilungsanordnung. Der bedachte Miterbe erhält den ihm zugedachten Vermögensvorteil vorab aus dem Nachlass. Die Erbquoten innerhalb der Erbengemeinschaft werden nach dem dann verbleibenden Nachlass ohne den vorab vermachtem Vermögensvorteil berechnet. Der Erbe erhält das Vorausvermächtnis auch dann, wenn er die Erbschaft im Übrigen ausschlägt.
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Voraus und Dreissigster
Ein besonderes Vorausvermächtnis ist der „Voraus“ des Ehegatten (§ 1932 BGB). Der überlebende Ehegatte hat als gesetzlicher Erbe über seinen Erbteil hinaus auch noch Anspruch auf den gesetzlichen Voraus. Der Voraus betrifft die zum ehelichen Haushalt gehörenden Gegenstände. Zweck ist es, dem überlebenden Ehegatten zu ermöglichen, sein Leben in der bisherigen Umgebung im gewohnten Stil fortzuführen. Der Anspruch auf den Voraus besteht neben Verwandten der zweiten Ordnung in vollem Umfang, gegenüber Abkömmlingen des Erblassers jedoch nur insoweit, als der Ehegatte die Hausratsgegenstände zur Führung eines angemessenen Haushalts benötigt. Bei der Beurteilung, inwieweit dies der Fall ist, ist nicht allein auf die wirtschaftlich unbedingt notwendigen Gegenstände abzustellen. Auch der Wert der Gegenstände ist nicht entscheidend. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Ehegatte bereits genügend Gegenstände dieser Art besitzt und darauf angewiesen ist, dass ihm weitere Gegenstände überlassen werden.
Auch der sogenannte „Dreißigste“ ist ein solcher Fall (§ 1969 BGB). Der Dreißigste begünstigt nicht nur den Ehegatten, sondern auch andere Familienangehörige des Erblassers, die bei dessen Tod zum Haushalt gehörten und von ihm Unterhalt bezogen haben. Der Anspruch beinhaltet das Recht auf Unterhalt und das Recht, die gemeinsam genutzte Wohnung während der ersten 30 Tage nach dem Erbfall zu nutzen. Er soll es den Betroffenen ermöglichen, sich auf die veränderten Umstände einzustellen.