Erbrecht
Erstveröffentlichung am 30. März 2016, zuletzt aktualisiert am 17. August 2024. Autor: Dr. jur. Stephan Seitz

Vorausvermächtnis: Besondere Zuwendung des Erblassers

2 Minuten sinnvoll investierte Lesezeit
 
  • Mit dem Vorausvermächtnis kann der Erblasser einem Erben einen bestimmten Gegenstand aus der Erbschaft zukommen lassen
  • Im Gegensatz zum reinen Vermächtnis wird der zugewendete Gegenstand hier nicht auf den Erbteil angerechnet, er wird zusätzlich gewährt
  • Das Gesetz kennt zwei besondere Vorausvermächtnisse: den Voraus und den Dreissigsten


Dr. Stephan Seitz
Hier schreibt Dr. jur. Stephan Seitz

Mein Name ist Stephan Seitz, ich bin Jurist und war vor wenigen Jahren selbst Teil einer Erbengemeinschaft. Dabei wurde mir klar: Miterben wollen keinen Streit, sondern eine Lösung. Alles was Sie dafür wissen müssen, schreibe ich hier auf.
 
Bitte beachten Sie meine rechtlichen Hinweise für diese Webseite. Der Inhalt dient ausschließlich der allgemeinen Information und Bildung sowie zur Unterhaltung. Für eine verbindliche Auskunft wenden Sie sich bitte an einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder vergleichbaren Experten auf dem jeweiligen Fachgebiet.

Die zwei Varianten des Vorausvermächtnisses

Mit einem Vermächtnis beabsichtigt der Erblasser in einem Testament, einer dritten Person einen Vermögensvorteil zukommen zu lassen. Der spezielle Fall eines „Vorausvermächtnisses“ liegt üblicherweise vor, wenn der Erblasser einem Miterben innerhalb einer Erbengemeinschaft über seinen Erbteil hinaus einen Vermögensvorteil zuwenden möchte (§ 2150 BGB).

Variante 1: Erbe ist Miterbe

Zweck ist, dass der Erblasser einen von mehreren Erben innerhalb einer Erbengemeinschaft gegenüber den anderen bevorzugen und ihm einen bestimmten Gegenstand oder Vermögenswert zuwenden möchte. Entscheidend dabei ist, dass das Vorausvermächtnis dem begünstigten Erben nicht auf seinen Erbteil angerechnet wird. Typisches Beispiel ist, dass eines von mehreren Kindern den Erblasser in den letzten Jahren seines Lebens betreut und versorgt hat und dafür besondere Anerkennung erfahren soll.

Variante 2: Erbe ist Alleinerbe

Aber auch der Alleinerbe kann Nutznießer eines Vorausvermächtnisses sein. Relevant wird dieser Umstand, wenn der Erblasser einen Vorerben und einen Nacherben bestimmt hat. Der Vorerbe erbt den Nachlass nur auf Zeit und muss ihn bei Eintritt des vom Erblasser definierten Nacherbfalls (z.B. Tod des Vorerben, Wiederheirat des Ehegatten) an den Nacherben übergeben. Im Nacherbfall hat der Nacherbe dann keinen Anspruch auf den Gegenstand des Vorausvermächtnisses (§ 2110 Abs. II BGB). Der Vorerbe wird bereits mit Eintritt des Vorerbfalls Eigentümer des vermachten Gegenstandes und bleibt es auch dann, wenn der Nacherbfall eintritt. Vor allem ist der Vorerbe in Bezug auf den Vermächtnisgegenstand von den Verfügungsbeschränkungen, denen ein Vorerbe typischerweise unterliegt, befreit. So darf ein Vorerbe beispielsweise nur die Mieterträge aus einem Mietshaus vereinnahmen, darf es aber nicht verkaufen. Ist ihm das Mietshaus als Vorausvermächtnis zugewendet, kann er mit dem Haus tun und lassen, was er möchte.

Vermächtnis
Vermächtnis

Unterschied Vorausvermächtnis zur Teilungsanordnung

Im Gegensatz dazu steht die vom Erblasser im Testament oder Erbvertrag bestimmte Teilungsanordnung zur Aufteilung des Nachlasses unter den Miterben. In diesem Fall muss sich jeder Miterbe den Wert des ihm zugedachten Vermögensvorteils auf seinen Erbteil anrechnen lassen. Im Zweifelsfall muss durch Auslegung des Testaments oder Erbvertrages ermittelt werden, worauf der Wille des Erblassers gerichtet war. Entscheidend ist, ob er einem der Erben einen besonderen Vermögensvorteil zukommen und ihn gegenüber den anderen bevorzugen wollte. Lässt sich eine solche Absicht feststellen, liegt ein Vorausvermächtnis vor, fehlt diese Absicht, handelt es sich um eine Teilungsanordnung. Der bedachte Miterbe erhält den ihm zugedachten Vermögensvorteil vorab aus dem Nachlass. Die Erbquoten innerhalb der Erbengemeinschaft werden nach dem dann verbleibenden Nachlass ohne den vorab vermachtem Vermögensvorteil berechnet. Der Erbe erhält das Vorausvermächtnis auch dann, wenn er die Erbschaft im Übrigen ausschlägt.

Sie haben ein rechtliches Anliegen zum Erben und Vererben?*
Logo Klugo
Mein Partner KLUGO verhilft Ihnen zu Ihrem Recht! Mit individuellen rechtlichen Lösungen und der persönlichen Beratung beim Rechtsexperten werden Ihre Fragen geklärt. Sie erfahren, welche Chancen und Risiken bestehen. Auf Wunsch können Sie den Rechtsanwalt im Anschluss direkt beauftragen.


  • Soforthilfe bei Rechtsfragen: Ihre Situation, Chancen und Risiken

  • Beratung durch erfahrene Anwälte & Rechtsexperten

  • Ortsunabhängig, einfach und digital
  
 

Voraus und Dreissigster

Ein besonderes Vorausvermächtnis ist der „Voraus“ des Ehegatten (§ 1932 BGB). Der überlebende Ehegatte hat als gesetzlicher Erbe über seinen Erbteil hinaus auch noch Anspruch auf den gesetzlichen Voraus. Der Voraus betrifft die zum ehelichen Haushalt gehörenden Gegenstände. Zweck ist es, dem überlebenden Ehegatten zu ermöglichen, sein Leben in der bisherigen Umgebung im gewohnten Stil fortzuführen. Der Anspruch auf den Voraus besteht neben Verwandten der zweiten Ordnung in vollem Umfang, gegenüber Abkömmlingen des Erblassers jedoch nur insoweit, als der Ehegatte die Hausratsgegenstände zur Führung eines angemessenen Haushalts benötigt. Bei der Beurteilung, inwieweit dies der Fall ist, ist nicht allein auf die wirtschaftlich unbedingt notwendigen Gegenstände abzustellen. Auch der Wert der Gegenstände ist nicht entscheidend. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Ehegatte bereits genügend Gegenstände dieser Art besitzt und darauf angewiesen ist, dass ihm weitere Gegenstände überlassen werden.

Auch der sogenannte „Dreißigste“ ist ein solcher Fall (§ 1969 BGB). Der Dreißigste begünstigt nicht nur den Ehegatten, sondern auch andere Familienangehörige des Erblassers, die bei dessen Tod zum Haushalt gehörten und von ihm Unterhalt bezogen haben. Der Anspruch beinhaltet das Recht auf Unterhalt und das Recht, die gemeinsam genutzte Wohnung während der ersten 30 Tage nach dem Erbfall zu nutzen. Er soll es den Betroffenen ermöglichen, sich auf die veränderten Umstände einzustellen.


Diese Seite bewerten

4 Sterne bei 4 Bewertungen
Bewertungen werden nicht auf Echtheit überprüft

Sie haben ein rechtliches Anliegen zum Erben und Vererben?*
Logo Klugo
Mein Partner KLUGO verhilft Ihnen zu Ihrem Recht! Mit individuellen rechtlichen Lösungen und der persönlichen Beratung beim Rechtsexperten werden Ihre Fragen geklärt. Sie erfahren, welche Chancen und Risiken bestehen. Auf Wunsch können Sie den Rechtsanwalt im Anschluss direkt beauftragen.


  • Soforthilfe bei Rechtsfragen: Ihre Situation, Chancen und Risiken

  • Beratung durch erfahrene Anwälte & Rechtsexperten

  • Ortsunabhängig, einfach und digital
  
 
Sie haben ein rechtliches Anliegen zum Erben und Vererben?*
Am Ende angelangt? Es gibt mehr!

ebook

  • Gratis-eBook „Die Erbengemeinschaft – In 9 Schritten zur Lösung“: mein Leitfaden, wie Sie Ihren Weg aus der Erbengemeinschaft finden - exklusive und kostenfreie Zugabe zum E-Mail-Update
  • Checkliste Todesfall: Die wichtigsten Aufgaben für Angehörige in den ersten Tagen und Wochen nach dem Todesfall - ebenfalls kostenlos und nur zum E-Mail-Update
  • E-Mail-Update: Nichts mehr verpassen. Meine exklusiven Insider-Tipps, neueste Beiträge und aktuelle Gerichtsurteile

    

Durch Klick auf „Jetzt anmelden“ stimmen Sie dem Erhalt einer einmaligen, unverbindlichen E-Mail zu. In dieser erläutere ich Ihnen konkret wie ich Sie künftig kontaktiere.
ebook
* Ein Stern neben einem Link oder an der Abschnittsüberschrift bedeutet, dass ich vom verlinkten Anbieter möglicherweise eine Vergütung erhalte (Werbung): manchmal, sobald Sie den Link klicken; oft nur dann, wenn Sie einen Vertrag abschließen; und selten pauschal für die Verlinkung selbst. So finanziere ich diese Webseite. Auf den Preis, den Sie möglicherweise beim verlinkten Anbieter zahlen, wirkt sich dies nicht aus.
 
Sie interessieren sich für eine Kooperation auf meiner Webseite? Bitte schreiben Sie mir eine kurze Nachricht. Gerne stelle ich Ihnen Mediadaten und Möglichkeiten zur Kooperation zur Verfügung.
VGWort