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Pflichtteil entziehen: Wann ist ein Ausschluss möglich?

Foto Dr. Stephan Seitz
Autor: , Dipl.-Jurist (Univ.)
Zuletzt aktualisiert: 30. November 2025
Ihre Lesezeit: 11 Minuten
               
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Pflichtteil entziehen

  • Mindestanspruch erhalten: Nicht als Erbe eingesetzt zu sein hebt den gesetzlichen Mindestanspruch am Nachlass nicht automatisch auf. Dieser Anspruch ist ein reiner Geldanspruch und entspricht der Hälfte des gesetzlichen Erbteils; er bleibt bestehen, solange kein wirksamer, gesetzlich begründeter Ausschluss vorliegt. Beispiel: Bei zwei Kindern beträgt der Anspruch eines Kindes 25 % des Nachlasses.
  • Strenge Voraussetzungen: Ein vollständiger Ausschluss des Mindestanspruchs ist nur bei wenigen, in § 2333 BGB abschließend genannten schweren Verfehlungen möglich. Der Ausschluss muss im formgültigen Testament oder Erbvertrag ausdrücklich mit konkreter, überprüfbarer Begründung angegeben sein und der Grund musste bereits bei Errichtung vorgelegen haben. Ohne detaillierte Tatsachenbeschreibung oder bei nachträglicher Verzeihung wird die Maßnahme vor Gericht meist für unwirksam erklärt.
  • Alternativen nutzen: Weil ein vollständiger Ausschluss häufig scheitert, sind notarielle Vereinbarungen und lebzeitige Gestaltungen rechtlich sicherere Optionen. Dazu gehören ein notarieller Pflichtteilsverzicht, rechtzeitig angelegte Schenkungen mit Nießbrauch oder Leibrenten sowie gezielte Nachlassstrukturen, die den Anspruch wirtschaftlich reduzieren. Praktisch wirkt etwa eine Schenkung, die mehr als zehn Jahre vor dem Erbfall erfolgt, häufig nicht mehr ergänzungspflichtig.
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Enterbung und Pflichtteil entziehen – Unterschied und rechtliche Folgen

Wer enterbt wird, verliert nicht automatisch seinen Pflichtteilsanspruch. Dieser Mindestanteil am Nachlass bleibt erhalten – es sei denn, er wird ausdrücklich und wirksam entzogen. Nur unter sehr strengen gesetzlichen Voraussetzungen darf ein Erblasser den Pflichtteil ausschließen.

Enterbung: Wer keinen Erbteil bekommt, kann trotzdem Pflichtteil verlangen

Eine Enterbung liegt vor, wenn der Erblasser im Testament eine Person nicht als Erbe einsetzt – obwohl diese Person gesetzlich erbberechtigt wäre. Betroffen sind meist Kinder, Ehegatten oder Eltern. Doch selbst wenn sie nicht als Erben bedacht sind, haben sie Anspruch auf den Pflichtteil. Dieser beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils und ist als Geldforderung gegen die Erben durchsetzbar. Der Anspruch ist unabhängig vom Bedarf – es genügt die gesetzliche Berechtigung und die Enterbung durch letztwillige Verfügung. Auch bei vollständiger Enterbung wird also ein Teil des Nachlasses verpflichtend an diese Personen ausgezahlt.

Ein Vater setzt in seinem Testament nur seine Tochter als Alleinerbin ein. Seinen Sohn erwähnt er nicht. Ergebnis: Der Sohn ist enterbt, hat aber Anspruch auf seinen Pflichtteil – 25 % des Nachlasses, wenn zwei Kinder vorhanden sind.

Pflichtteil entziehen: Wann ein vollständiger Ausschluss möglich ist

Der Pflichtteil kann nur in wenigen gesetzlich geregelten Fällen vollständig entzogen werden. Grundlage ist § 2333 BGB, der abschließend aufzählt, welche Verfehlungen dies rechtfertigen. Ohne diese Voraussetzungen bleibt der Anspruch bestehen. Der Erblasser muss den Entzug ausdrücklich im Testament oder Erbvertrag anordnen und dabei den genauen Grund angeben. Eine Enterbung ohne solchen Zusatz bewirkt keinen Pflichtteilsverlust. Der Unterschied ist erheblich: Während die Enterbung lediglich den Erbanspruch beendet, kann der Pflichtteilsentzug den gesetzlichen Mindestanspruch komplett beseitigen – wenn alle Anforderungen erfüllt sind.

Ein bloßes Testament mit Enterbung reicht nicht aus, um den Pflichtteil zu entziehen. Es muss ein gesetzlicher Grund nach § 2333 BGB bestehen und korrekt im Testament formuliert sein.
  • Pflichtteilsanspruch trotz Enterbung: Der Pflichtteil bleibt bestehen, wenn kein wirksamer Entzug erfolgt.
  • Enterbung ≠ Pflichtteilsentzug: Beide Maßnahmen sind rechtlich getrennt zu betrachten und müssen gezielt geregelt werden.
  • Geldanspruch: Der Pflichtteil ist immer in Geld auszuzahlen – nicht als Teil des Erbes in Form von Gegenständen oder Immobilien.

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Gesetzliche Gründe und Voraussetzungen eines Pflichtteilsentzugs

Ein Pflichtteil darf nur entzogen werden, wenn ein gesetzlich anerkannter schwerwiegender Grund vorliegt. Diese Gründe sind in § 2333 BGB abschließend geregelt und gelten nur in besonderen Ausnahmefällen. Zusätzlich müssen mehrere formale Voraussetzungen erfüllt sein, damit der Entzug wirksam wird.

Anerkannte Entziehungsgründe nach § 2333 BGB

§ 2333 BGB erlaubt einen Pflichtteilsentzug nur bei besonders gravierenden Verfehlungen. Dazu zählt, wenn der Pflichtteilsberechtigte dem Erblasser oder einer nahestehenden Person nach dem Leben trachtet – also ein versuchtes Tötungsdelikt begeht. Ebenso möglich ist der Entzug bei einem vorsätzlichen Verbrechen oder schwerem Vergehen gegen den Erblasser oder dessen Angehörige. Auch die böswillige Verletzung einer bestehenden Unterhaltspflicht kann zum Pflichtteilsverlust führen. Schließlich genügt eine rechtskräftige Freiheitsstrafe ab einem Jahr ohne Bewährung – oder eine Unterbringung in einer psychiatrischen oder Entziehungsanstalt –, wenn dem Erblasser dadurch die Beteiligung des Täters am Nachlass unzumutbar ist.

Ein Sohn misshandelt seinen Vater mehrfach schwer, wird wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt und erhält eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren. Der Vater entzieht ihm daraufhin im Testament mit genauer Begründung den Pflichtteil – das kann wirksam sein.
  • Versuchter Mord: Nach dem Leben trachten gegenüber dem Erblasser oder nahen Angehörigen.
  • Schwere Straftat: Verbrechen oder schweres vorsätzliches Vergehen gegen den Erblasser oder dessen Familie.
  • Unterhaltspflichtverletzung: Böswillige Verweigerung gesetzlicher Unterhaltsleistungen.
  • Haft oder Unterbringung: Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Straftat zu mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe ohne Bewährung oder Unterbringung in einer psychiatrischen oder Entziehungsanstalt.

Weitere Voraussetzungen und Grenzen des Pflichtteilsentzugs

Ein Entziehungsgrund allein genügt nicht – der Erblasser muss zusätzlich bestimmte Voraussetzungen einhalten. Erstens muss der Pflichtteilsentzug zwingend in einer formgültigen letztwilligen Verfügung erfolgen – also in einem Testament oder Erbvertrag (§ 2336 BGB). Zweitens muss der genannte Entziehungsgrund zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung bereits vorgelegen haben. § 2336 Abs. 2 BGB verlangt, dass der im Testament genannte Entziehungsgrund bei Errichtung der Verfügung bereits vorlag. Entsteht der Entziehungsgrund erst später, reicht das alte Testament nicht – der Erblasser muss eine neue Verfügung (Nachtrag/Testament/Erbvertrag) errichten, in der der neue Grund benannt wird. Drittens darf der Erblasser dem Pflichtteilsberechtigten den Entziehungsgrund nicht nachträglich verziehen haben (§ 2337 BGB) – sonst wird der Entzug unwirksam. Im Streitfall prüfen Gerichte streng, ob die gesetzlichen Tatbestände des § 2333 BGB erfüllt sind und ob – insbesondere im Straf- bzw. Unterbringungsfall (§ 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB) – die Teilhabe am Nachlass für den Erblasser unzumutbar war.

Pflichtteilsentzug ist nur wirksam, wenn er im Testament ausdrücklich angeordnet wurde – mit einem Entziehungsgrund, der bereits bei der Errichtung vorlag und nicht verziehen wurde.
VoraussetzungRechtsgrundlageBesonderheit
Schwerer Entziehungsgrund§ 2333 BGBNur in Ausnahmefällen zulässig
Formgerechte Verfügung§ 2336 BGBTestament oder Erbvertrag notwendig
Zeitpunkt des Grundes§ 2336 Abs. 2 BGBMuss vor Testamentserrichtung bestehen
Keine Verzeihung§ 2337 BGBVerzeihung macht Entzug unwirksam

Abschnitt 3 von 7

Formale Anforderungen und korrekte Formulierung im Testament

Ein Pflichtteilsentzug kann nur wirksam werden, wenn der Erblasser ihn korrekt im Testament oder Erbvertrag anordnet. Dabei sind strenge Formvorgaben zu beachten. Pauschale Vorwürfe oder ungenaue Angaben führen regelmäßig zur Unwirksamkeit.

Testamentarische Voraussetzungen nach § 2336 BGB

Gemäß § 2336 BGB darf ein Pflichtteilsentzug nur durch eine formgültige letztwillige Verfügung erfolgen – also durch Testament oder Erbvertrag. Eine bloß mündliche Äußerung oder eine undatierte/notizartige Aufzeichnung ohne Einhaltung der Testamentsform reichen nicht. Ein Pflichtteilsentzug muss in einem formwirksamen Testament oder Erbvertrag (§§ 2247, 2232, 2336 BGB) angeordnet werden. Zudem muss der Entziehungsgrund bereits zum Zeitpunkt der Errichtung vorliegen. Entsteht der Grund erst später, ist eine neue Verfügung erforderlich. Wichtig ist auch: Die Beweislast liegt bei den Erben – sie müssen im Streitfall darlegen und beweisen, dass der im Testament genannte Entziehungsgrund tatsächlich vorlag. Fehlen klare Belege oder sind Aussagen nicht überprüfbar, wird der Entzug vom Gericht meist für unwirksam erklärt.

Nur ein Testament oder Erbvertrag mit vollständiger Begründung ermöglicht einen wirksamen Pflichtteilsentzug – einfache Briefe oder Nachträge sind formunwirksam.
  • Formvorschrift: Pflichtteilsentzug nur über Testament oder Erbvertrag gültig.
  • Entstehungszeitpunkt: Der Entziehungsgrund muss bei Testamentserrichtung bereits vorgelegen haben.
  • Beweislast: Im Streitfall müssen die Erben den Entziehungsgrund belegen.

Entziehungsgrund im Testament konkret formulieren

Ein zulässiger Entziehungsgrund genügt nicht – er muss im Testament auch so konkret beschrieben werden, dass er objektiv überprüfbar ist. Allgemeine Formulierungen wie „wegen schlechtem Benehmen“ oder „wegen dauernder Kränkungen“ reichen nicht aus. Stattdessen verlangt das Gesetz eine detaillierte Schilderung: Was genau ist passiert? Wann? Wer war beteiligt? Die Tatsachen müssen klar benannt sein. Möglich sind zum Beispiel Hinweise auf ein Strafurteil, konkrete Daten eines Vorfalls oder Zeugenaussagen. Ziel ist, dass ein Dritter – insbesondere ein Gericht – die Schwere des Fehlverhaltens selbst einschätzen kann. Unklare oder vage Aussagen führen dazu, dass der Entzug als unbegründet und damit unwirksam angesehen wird.

„Mein Sohn entzieht mir seit 2019 vorsätzlich den Unterhalt, obwohl er als Facharzt über hohes Einkommen verfügt. Er weigert sich wiederholt, auf Kontaktanfragen zu reagieren. Ich entziehe ihm daher den Pflichtteil.“ – Diese Formulierung enthält konkrete Angaben zu Zeitraum, Verhalten und Grund.
FormulierungsartWirkungBegründung
„Er war immer undankbar.“UnwirksamZu pauschal und subjektiv
„Er bedrohte mich am 12.03.2020 körperlich.“MöglichKonkrete, prüfbare Angabe
„Wegen seiner Lebensführung.“UnwirksamKeine Tatsachen genannt
„Urteil LG Köln vom 15.06.2021, Az. XY123“Wirksam möglichObjektive Beweislage

Enterbung beseitigt den Erbanspruch, nicht automatisch den Pflichtteil – prüfen Sie daher bei der Testamentserrichtung, ob ein gesetzlicher Entziehungsgrund nach § 2333 BGB vorliegt und benennen Sie diesen konkret und nachweisbar im Testament. Fehlt der Nachweis, bleibt der Pflichtteil durchsetzbar; erwägen Sie deshalb notarielle Alternativen (Pflichtteilsverzicht, vorgezogene Schenkung mit Nießbrauch) und lassen Sie die Gestaltung anwaltlich prüfen.

Foto Dr. Stephan Seitz
Persönlicher Experten-Tipp von Dr. Stephan Seitz

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Verzeihung des Erblassers – Auswirkungen auf den Pflichtteilsentzug

Selbst wenn ein wirksamer Entziehungsgrund vorliegt, kann eine spätere Verzeihung den Pflichtteilsentzug wieder aufheben. § 2337 BGB regelt, dass eine ausgesprochene oder stillschweigende Verzeihung den Entziehungsgrund neutralisiert. Die Konsequenz: Der Pflichtteil lebt wieder auf.

Verzeihung nach § 2337 BGB macht Entziehung wirkungslos

Hat der Erblasser dem Pflichtteilsberechtigten verziehen, verliert ein zuvor formulierter Pflichtteilsentzug seine Wirksamkeit – selbst wenn alle Voraussetzungen ursprünglich erfüllt waren. Eine Verzeihung liegt vor, wenn der Erblasser das frühere Fehlverhalten verziehen und den Kontakt wiederhergestellt hat. Dabei ist keine besondere Form erforderlich. Auch eine konkludente Verzeihung – etwa durch regelmäßigen Kontakt, finanzielle Unterstützung oder versöhnliche Aussagen – genügt. Umstritten ist oft, ob tatsächlich eine Verzeihung vorliegt. Wenn die Beteiligten das unterschiedlich bewerten, muss ein Gericht entscheiden, ob die Umstände für eine Verzeihung sprechen.

Ein Pflichtteilsentzug bleibt nur wirksam, wenn der Erblasser dem Pflichtteilsberechtigten später nicht ausdrücklich oder stillschweigend verziehen hat.
  • Verzeihung möglich: Der Erblasser kann auch nach einem Pflichtteilsentzug jederzeit verzeihen.
  • Wirkung: Die Verzeihung macht den Entzug unwirksam – der Pflichtteil lebt wieder auf.
  • Beweisproblem: Die Erben müssen den Entziehungsgrund beweisen (§ 2336 Abs. 3 BGB). Macht der Pflichtteilsberechtigte geltend, der Erblasser habe verziehen (§ 2337 BGB), hat grundsätzlich er die Verzeihung darzulegen und zu beweisen.

Wie kann der Entzieher eine Verzeihung wirksam ausschließen?

Wer den Pflichtteil entziehen will, kann im Testament vorsorglich erklären, dass selbst bei späterem Kontakt keine Verzeihung gewollt ist. Diese Klausel schränkt das Risiko einer konkludenten Verzeihung ein – ihre Wirkung ist jedoch begrenzt. Denn eine tatsächliche spätere Annäherung kann die schriftliche Klausel überlagern. Sicherer ist es, nach einem Verzeihungsversuch den Entzug im Testament erneut zu bestätigen – mit aktualisiertem Datum und erneut benanntem Entziehungsgrund. Nur so lässt sich rechtlich eindeutig dokumentieren, dass der Pflichtteilsentzug trotz Kontakt aufrechterhalten werden soll.

„Auch wenn es zuletzt wieder Kontakt zu meinem Sohn gab, bleibt mein Pflichtteilsentzug vom 01.04.2022 bestehen. Ich erkläre ausdrücklich, dass keine Verzeihung erfolgt ist.“ – Diese Formulierung sichert die Wirksamkeit besser ab.
SachverhaltWirkung auf EntzugBemerkung
Versöhnung und KontaktaufnahmeEntzug kann unwirksam werdenVerzeihung wird vermutet
Testament mit AusschlussklauselWirksamkeit möglichNur begrenzt sicher
Keine Kommunikation bis zum TodEntzug bleibt wirksamKeine Verzeihung erfolgt
Neue Verfügung mit BestätigungEntzug bleibt bestehenRechtlich eindeutiger

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Alternativen zur Pflichtteilsentziehung – mildere Gestaltungen

Der Pflichtteilsentzug ist rechtlich schwer durchsetzbar. Wer Angehörige aus der Nachlassbeteiligung heraushalten möchte, hat mildere und oft sicherere Möglichkeiten. Dazu zählen Pflichtteilsverzicht, lebzeitige Übertragungen oder Gestaltungsspielräume bei Immobilien und Vermögensstruktur.

Pflichtteilsverzicht als einvernehmliche Lösung

Ein Pflichtteilsverzicht ist eine vertragliche Einigung, bei der ein Pflichtteilsberechtigter gegen Abfindung oder freiwillig auf künftige Ansprüche verzichtet. Der Verzicht muss notariell beurkundet werden (§ 2346 BGB). Dadurch kann der Erblasser sein Vermögen frei gestalten, ohne spätere Pflichtteilsansprüche zu fürchten. Oft geschieht dies im Rahmen von vorgezogenen Erbfolgeregelungen, etwa bei Unternehmensnachfolgen oder Immobilientransfers. Wichtig: Der Verzicht betrifft nur die konkrete Person und – sofern nichts anderes vereinbart ist – deren Abkömmlinge. Andere Pflichtteilsberechtigte (z. B. der Ehegatte oder andere Kinder, die keinen Verzicht erklärt haben) behalten ihre Ansprüche.

Ein Vater überträgt seiner Tochter schon zu Lebzeiten ein Mietshaus. Im Gegenzug verzichtet sie notariell auf ihren Pflichtteil – so bleibt der Sohn später Alleinerbe.
  • Notarieller Vertrag: Pflichtteilsverzicht nur mit notarieller Beurkundung gültig.
  • Individuell: Der Pflichtteilsverzicht gilt grundsätzlich auch für die Abkömmlinge des Verzichtenden (§ 2349 BGB), sofern im notariellen Vertrag nichts anderes geregelt ist.
  • Gestaltungsfreiheit: Verzicht ermöglicht klare Vermögensplanung ohne spätere Streitigkeiten.

Lebzeitige Schenkungen und Pflichtteilsergänzungsansprüche

Auch ohne Entzug kann die Pflichtteilsquote durch rechtzeitige Schenkungen reduziert werden. Schenkungen an Dritte mindern den Nachlass, allerdings müssen diese nach § 2325 BGB unter bestimmten Voraussetzungen zum Pflichtteil ergänzt werden. Der Ergänzungsanspruch fällt jedes Jahr um 10 % – nach 10 Jahren bleibt nichts mehr zu berücksichtigen. Schenkungen mit Vorbehalt von Nießbrauch oder Wohnrechten können den Pflichtteilsergänzungsanspruch unter Umständen mindern, sind aber heikel: Bei einem umfassenden Nießbrauch / weitgehendem Wohnrecht beginnt die 10-Jahresfrist häufig gar nicht zu laufen, sodass die Schenkung voll ergänzungspflichtig bleibt. Gestaltungen mit quotenmäßig begrenztem Nießbrauch oder echten Gegenleistungen (z. B. Leibrente) können dagegen zu einer realen Reduzierung führen. Ziel ist, den Pflichtteil rechnerisch zu schmälern, ohne formale Entziehung.

Je früher eine Schenkung erfolgt, desto weniger muss im Erbfall als Pflichtteilsergänzung berücksichtigt werden – ab dem 11. Jahr fällt sie vollständig weg.
Schenkung vor … JahrenErgänzungsanteilRechtswirkung
1 Jahr100 %Voll anzurechnen
5 Jahre50 %Hälfte zählt zum Nachlass
9 Jahre10 %Nur kleiner Zuschlag
11 Jahre0 %Keine Pflichtteilsergänzung mehr
Infografik Pflichtteilsergänzungsanspruch

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Rechtliche Durchsetzung und gerichtliche Erfolgsaussichten

Ein Pflichtteilsentzug wird vor Gericht nur selten bestätigt. Die Anforderungen an Beweise, Formulierung und tatsächliche Unzumutbarkeit sind hoch. Erblasser müssen Entziehungsgründe klar dokumentieren – anderenfalls bleibt der Pflichtteil bestehen.

Gerichtliche Prüfung des Entziehungsgrundes

Gerichte prüfen Pflichtteilsentziehungen besonders streng. Zentral ist, ob das Verhalten des Pflichtteilsberechtigten tatsächlich so schwerwiegend war, dass dem Erblasser die Beteiligung am Nachlass nicht zumutbar ist. Dazu muss der Entziehungsgrund nach § 2333 BGB vollständig erfüllt sein – bloße Enttäuschung, Kränkungen oder Kontaktabbruch reichen nicht aus. Bei unklaren Sachverhalten oder pauschalen Vorwürfen wird der Entzug regelmäßig für unwirksam erklärt. Die Darlegungs- und Beweislast liegt vollständig bei den Erben. Sie müssen konkrete Tatsachen nachweisen, die den Entziehungsgrund belegen. Lückenhafte oder widersprüchliche Angaben führen fast immer zur Ablehnung.

Allgemeine Unstimmigkeiten in der Familie genügen nicht – Gerichte verlangen objektiv schweres Fehlverhalten mit klaren Beweisen.
  • Beweispflicht: Die Erben müssen alle Entziehungsgründe vollständig belegen.
  • Strenge Auslegung: Gerichte prüfen restriktiv – Schutz des Pflichtteils hat hohen Stellenwert.
  • Ablehnungsquote hoch: Viele Pflichtteilsentziehungen scheitern an Form oder Beweislage.

Relevante Rechtsprechung und Streitrisiken

Die bisherige Rechtsprechung zeigt: Nur eindeutige Fälle – etwa strafrechtlich belegte Verfehlungen oder massive Pflichtverletzungen – führen zu einer erfolgreichen Pflichtteilsentziehung. Streitigkeiten über angebliche Respektlosigkeit oder moralisches Fehlverhalten haben vor Gericht kaum Chancen. Oft entstehen in solchen Prozessen hohe Kosten – etwa für Anwälte, Sachverständige oder Zeugenvernehmungen. Zudem besteht das Risiko, dass der Entzug für unwirksam erklärt wird und der Pflichtteilsberechtigte dann zusätzlich Zinsen und Prozesskosten verlangen kann. Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte alternative Gestaltungen prüfen oder frühzeitig anwaltlichen Rat einholen.

Ein Erblasser entzieht seinem Sohn den Pflichtteil wegen Kontaktverweigerung. Das Gericht erkennt hierin keinen ausreichenden Grund nach § 2333 BGB – der Pflichtteil bleibt bestehen, die Erben tragen die Prozesskosten.
StreitgrundGerichtsentscheidungFolge
Körperverletzung mit UrteilEntziehung wirksamPflichtteil entfällt
Jahrelanger KontaktabbruchUnwirksamPflichtteil bleibt
Unterhaltsverweigerung bei WohlstandWirksam bei NachweisPflichtteil entfällt
Pauschale Vorwürfe ohne BelegUnwirksamPflichtteil bleibt

Thumbnail Pflichtteil entziehen
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Pflichtteilsanspruch wirtschaftlich reduzieren – legale Hebel nutzen

Auch wenn der Pflichtteil nicht entzogen werden kann, lässt sich seine Höhe wirtschaftlich beeinflussen. Mit legalen Gestaltungen wie Nießbrauch, Leibrente oder werthaltigen Gegenleistungen kann der Nachlass gezielt strukturiert werden – ohne formellen Pflichtteilsentzug.

Nießbrauch, Wohnrecht und Leibrente als Pflichtteilsbremse

Vermögensübertragungen zu Lebzeiten müssen nicht unentgeltlich erfolgen. Wer z. B. eine Immobilie auf ein Kind überträgt, kann sich den Nießbrauch – also das lebenslange Nutzungsrecht – vorbehalten. Dadurch wird der wirtschaftliche Wert der Schenkung stark reduziert, was wiederum den Pflichtteilsergänzungsanspruch unter Umständen senkt. Ähnlich wirken Wohnrechte oder Vereinbarungen über Leibrenten, bei denen das übertragene Vermögen mit einer Gegenleistung verbunden ist. Solche Regelungen sind rechtlich anerkannt und ermöglichen eine gezielte Steuerung des Nachlasswertes – ohne Entziehungsrisiko oder gerichtliche Anfechtung.

Ein Vater schenkt seinem Sohn ein Haus im Wert von 500.000 €, behält sich aber den Nießbrauch vor. Der steuerlich relevante Schenkungswert sinkt auf 200.000 €, was auch die Pflichtteilsergänzung mindert.
  • Nießbrauch: Vermögen bleibt wirtschaftlich beim Schenker – kann den Pflichtteilsanspruch spürbar reduzieren, je nach Ausgestaltung.
  • Leibrente: Gegenleistung durch Zahlung lebenslanger Rente verringert Schenkungswert rechtlich wirksam.
  • Wohnrecht: Wohnnutzung senkt Marktwert der Immobilie und damit den Erbanteil.

Nachlassstruktur, Unternehmensbewertung und Steueraspekte

Der Pflichtteil bezieht sich auf den Wert des realen Nachlasses. Daher können Bewertungen eine große Rolle spielen – insbesondere bei Immobilien, Unternehmensanteilen oder nicht liquiden Vermögenswerten. Je nach Bewertungsverfahren können unterschiedliche Pflichtteilshöhen entstehen. Auch steuerliche Freibeträge oder Gestaltungsmöglichkeiten – etwa durch Güterstandsschaukel oder Holdingstruktur – spielen bei größeren Nachlässen eine Rolle. Fachanwälte und Steuerberater entwickeln hier oft maßgeschneiderte Strategien. Ziel ist nicht, den Pflichtteil zu verweigern, sondern ihn auf ein wirtschaftlich tragbares Maß zu bringen.

Eine kluge Nachlassstruktur kann den Pflichtteil legal und ohne gerichtliches Risiko reduzieren – etwa durch Bewertungen oder gebundene Vermögensformen.
GestaltungsmaßnahmeWirkungBemerkung
NießbrauchReduziert SchenkungswertPflichtteilsergänzung sinkt
LeibrenteGegenleistung senkt NetzwertPflichtteil geringer
GüterstandsschaukelSteueroptimierungPflichtteil indirekt beeinflusst
Stille Reserven im UnternehmenBewertungsspielraumPflichtteil schwer zu berechnen

Icon FAQs

Häufig gestellte Fragen

Was ist der Unterschied zwischen Enterbung und Pflichtteilsentzug?

Enterbung bedeutet, dass eine gesetzlich erbberechtigte Person im Testament nicht als Erbe eingesetzt wird; ihr Pflichtteilsanspruch bleibt aber grundsätzlich bestehen. Ein Pflichtteilsentzug geht weiter: er kann den geldlichen Mindestanspruch komplett aufheben, aber nur bei ausdrücklich genannten gesetzlichen Gründen und formgerechter testamentarischer Anordnung.

Unter welchen Voraussetzungen ist ein Pflichtteilsentzug nach § 2333 BGB möglich?

Ein Pflichtteilsentzug ist nur bei besonders gravierenden Verfehlungen möglich, etwa versuchtem Mord, schweren Straftaten gegen den Erblasser oder dessen Angehörige, böswilliger Unterhaltsverweigerung oder bei rechtskräftiger Freiheitsstrafe ab einem Jahr; die Gründe sind in § 2333 BGB abschließend geregelt. Zudem muss der Entziehungsgrund bereits bei Errichtung des Testaments vorgelegen haben, ausdrücklich im Testament oder Erbvertrag genannt werden und darf nicht vom Erblasser später verziehen worden sein.

Wie muss der Ausschluss des Pflichtteils im Testament formuliert sein, damit er wirksam ist?

Der Pflichtteilsentzug muss in einer formgültigen letztwilligen Verfügung (Testament oder Erbvertrag) stehen und den Entziehungsgrund so konkret beschreiben, dass er objektiv überprüfbar ist (Wer? Was? Wann?). Pauschale oder vage Formulierungen führen meist zur Unwirksamkeit; im Streitfall liegt die Beweislast für die genannten Tatsachen bei den Erben.

Welche legalen Alternativen gibt es, um die Pflichtteilsquote wirtschaftlich zu reduzieren?

Sicherere Gestaltungen sind ein notariell beurkundeter Pflichtteilsverzicht, frühzeitige Schenkungen (mit dem ergänzungsrechtlichen Abschmelzen über 10 Jahre), sowie Nießbrauch, Wohnrechte oder Leibrenten, die den wirtschaftlichen Wert des Nachlasses mindern. Solche Maßnahmen reduzieren das Risiko einer gerichtlichen Anfechtung, erfordern aber fachliche Beratung, weil steuerliche und ergänzungsrechtliche Folgen zu beachten sind.

Icon Quellen

Quellenangaben und weiterführende Literatur

Die Informationen auf dieser Seite sind sorgfältig recherchiert und zusammengetragen. Folgende Quellen und weiterführende Literatur empfehle ich im Kontext Pflichtteil entziehen:

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Dr. Stephan Seitz

Dieser Beitrag wurde recherchiert und veröffentlicht von Dr. Stephan Seitz

Mein Name ist Dr. Stephan Seitz. Ich habe an der LMU München Jura studiert, 2006 mein Staatsexamen abgelegt und anschließend an der Universität Regensburg promoviert. Seitdem verbinde ich juristisches Fachwissen mit meinen eigenen Erfahrungen im Erbrecht und lasse dieses Wissen in meinen Ratgeber einfließen. Mehr zu meinem Werdegang und beruflichen Stationen finden Sie bei Interesse auf LinkedIn.

Die Idee zu dieser Webseite entstand, als ich selbst Teil einer Erbengemeinschaft war. Ich habe die Spannungen, rechtlichen Fragen und Unsicherheiten, die viele Miterben belasten, hautnah erlebt. Mit HEREDITAS » Ratgeber Erbengemeinschaft möchte ich juristische Grundlagen und Lösungswege verständlich darstellen und so Orientierung bieten.

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