HEREDITAS Blog

Erstveröffentlichung am 12. März 2022, zuletzt aktualisiert am 09. August 2024. Autor: Dr. jur. Stephan Seitz

Minderjährige in der Erbengemeinschaft

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Ist ein Miterbe minderjährig, ist er dennoch ein vollwertiges Mitglied in der Erbengemeinschaft. Da ein minderjähriger Erbe vor der Vollendung des 18. Lebensjahres nur beschränkt geschäftsfähig ist, unterliegt er gewissen Beschränkungen, wenn er über seinen Erbteil verfügen möchte. In der Abwicklung der Erbengemeinschaft können sich daraus gewisse Herausforderungen ergeben.


Dr. Stephan Seitz
Hier schreibt Dr. jur. Stephan Seitz

Mein Name ist Stephan Seitz, ich bin Jurist und war vor wenigen Jahren selbst Teil einer Erbengemeinschaft. Dabei wurde mir klar: Miterben wollen keinen Streit, sondern eine Lösung. Alles was Sie dafür wissen müssen, schreibe ich hier auf.
 
Bitte beachten Sie meine rechtlichen Hinweise für diese Webseite. Der Inhalt dient ausschließlich der allgemeinen Information und Bildung sowie zur Unterhaltung. Für eine verbindliche Auskunft wenden Sie sich bitte an einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder vergleichbaren Experten auf dem jeweiligen Fachgebiet.

Kann ein Minderjähriger Erbe werden?

Erbe wird, wird wer zum Zeitpunkt des Erbfalls lebt (§ 1923 BGB). Ob der Erbe minderjährig oder volljährig, geschäftsfähig oder geschäftsunfähig ist, ist belanglos. Entscheidend ist allein, dass der Erbe im Zeitpunkt des Erbfalls am Leben ist. Eine andere Frage ist, ob und inwieweit der minderjährige oder geschäftsunfähige Erbe eigenständig über den Nachlass verfügen kann.

Wer muss wie involviert werden?

Ein minderjähriger Erbe ist bis zur Vollendung seines 18. Lebensjahres nur beschränkt geschäftsfähig ist (§ 106 BGB). Will er über seinen Erbteil verfügen, bedarf er im Regelfall der Zustimmung seiner sorgeberechtigten Eltern als gesetzliche Vertreter (§ 107 BGB). Sind beide Eltern verstorben oder hat der Erblasser die Eltern des minderjährigen Erben von der Vermögensverwaltung ausgeschlossen, sollte er idealerweise in seinem Testament einen Vormund für das minderjährige Kind bestellt haben. Wurde kein Vormund bestellt, muss das Familiengericht entscheiden, wer als Vormund für den minderjährigen Erben handelt. Dazu wird meist das Jugendamt einbezogen.

Aber auch die Eltern können das minderjährige Kind nicht immer vertreten. Soweit der minderjährige Erbe durch seine Eltern auf beiden Seiten eines Rechtsgeschäfts vertreten wird, muss zur Wahrnehmung der Interessen des Minderjährigen und zur Vermeidung von Interessenkonflikten vom Vormundschaftsgericht ein Ergänzungspfleger bestellt werden (§ 1909 BGB).

Ein Kind ist alleiniger Erbe seines Onkels. Die zum Nachlass gehörende Eigentumswohnung soll an die Eltern des minderjährigen Erben verkauft werden. Wegen des potentiell möglichen Interessenkonflikts können die Eltern als Käufer der Wohnung das eigene Kind nicht zugleich auf der Verkäuferseite vertreten. Es muss ein Ergänzungspfleger bestellt werden, der die Interessen des Kindes wahrnimmt.

Kann auch das noch ungeborene Kind erben?

Das Gesetz gesteht auch dem bereits gezeugten, aber noch nicht geborenen Menschen (nasciturus) die Erbfähigkeit zu. Er gilt als vor dem Erbfall geboren.

Praxis-Beispiel: Hinterlässt der Erblasser seine Ehefrau und ein Kind von zehn Jahren, wird er gesetzlich von beiden beerbt. Wird das Kind aber erst drei Monate nach seinem Tod geboren, könnte es nicht Erbe seines Vaters sein, da es zur Zeit des Erbfalls noch nicht lebte. In diesem Fall würden die Witwe des Erblassers und dessen Eltern erben.

Es ist aber nicht einzusehen, warum ein kurz nach dem Tod des Erblassers geborenes Kind gegenüber einem Kind, das theoretisch eine Minute vor dessen Tod zur Welt kommt, nicht Erbe werden soll. Deshalb bestimmt § 1923 Abs. II BGB, dass das nicht geborene Kind erbfähig ist. Voraussetzung ist, dass das Kind lebend zur Welt kommt. Dazu muss es einige Minuten gelebt haben. Wurde es hingegen tot geboren, hat es keine Rechtsfähigkeit erworben und kommt als Erbe nicht in Betracht.

Um den Fortschritten in der Fortpflanzungsmedizin gerecht zu werden, wird auch das erst im Wege der homologen Insemination oder der homologen In-vitro-Fertilisation nach dem Tod des Erblassers gezeugte Kind des Erblassers dem vor dem Tod des Erblassers gezeugten, aber noch nicht geborenen Kind gleichgestellt.

Will der Erblasser ein noch nicht geborenes Kind in die Erbfolge einbeziehen, kann er auch die Nacherbfolge anordnen. Für die Nacherbfolge kommt es nicht auf den Zeitpunkt des Erbfalls, sondern auf den des Nacherbfalls an. Ist eine Nacherbfolge gewünscht, tritt der Nacherbfall mit der Geburt des Erben ein.

Minderjährige in der Erbengemeinschaft

Minderjährige haften nur mit dem Nachlass

Wer Erbe wird, wird Rechtsnachfolger des Erblassers. Die Konsequenz ist, dass der Erbe auch für die Verbindlichkeiten haftet, die in der Person des Erblassers begründet waren. Um den minderjährigen Erben zu schützen, beschränkt das Gesetz die Haftung für Verbindlichkeiten auf den Bestand des Anteils des Erben am Nachlass (§ 1629a Abs. IV BGB).

Ist der minderjährige Erbe Miterbe in der Erbengemeinschaft, erreicht er diese Haftungsbeschränkung allerdings nur, wenn er spätestens drei Monate nach Eintritt seiner Volljährigkeit die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft verlangt. Andernfalls vermutet das Gesetz zugunsten der Gläubiger, dass die jeweilige Verbindlichkeit erst nach Eintritt der Volljährigkeit des Erben entstanden ist. Dann haftet der Erbe unbegrenzt mit seinem privaten Vermögen.

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Was ist beim Verkauf des Erbteils?

Jeder Miterbe ist berechtigt, seinen Erbteil zu verkaufen. Der Erbteilkaufvertrag muss notariell beurkundet werden. Da es sich dabei um eine vertragliche Vereinbarung handelt, kann der minderjährige Erben aufgrund seiner beschränkten Geschäftstätigkeit den Vertrag nicht allein unterschreiben. Vielmehr bedarf er der Zustimmung seiner Eltern als gesetzliche Vertreter sowie im Regelfall auch der Genehmigung des Familiengerichts. Wird der Erbteil an einen Dritten verkauft, haben die übrigen Miterben ein gesetzlich begründetes Vorkaufsrecht.

Besteht die Erbengemeinschaft zwischen dem minderjährigen Erben und seinem gesetzlichen Vertreter (Elternteil), muss zur Vermeidung von Interessenkonflikten ein Ergänzungspfleger bestellt werden (§ 1909 BGB). Dies gilt vor allem, wenn die Eltern des minderjährigen Erben Rechtsgeschäfte mit der Erbengemeinschaft tätigen wollen. Da die Eltern auf beiden Seiten des Rechtsgeschäfts vertreten sind, bedarf es zur Wahrung der Interessen des minderjährigen Erben einer zusätzlichen Aufsicht.

Was gilt für die Verwaltung des Nachlasses durch Minderjährige?

Muss der Nachlass verwaltet werden, können Entscheidungen, soweit der Bestand des Nachlasses betroffen ist, im Regelfall nur gemeinschaftlich von allen Miterben in der Erbengemeinschaft getroffen werden (z.B. Verkauf einer Immobilie). Im Regelfall wird der minderjährige Erbe auf die Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters (Eltern, Vormund) sowie die Genehmigung durch das Familiengericht angewiesen sein. Auf die Höhe des Erbteils des minderjährigen Erben kommt es dabei nicht an, so dass die familiengerichtliche Genehmigung auch dann notwendig ist, wenn der Erbteil nur eine geringe Quote ausmacht.

Geht es um Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung geht (Vermietung einer Wohnung), genügt meist eine Mehrheitsentscheidung in der Erbengemeinschaft. Soweit Maßnahmen in der Erbengemeinschaft von der Mehrheit der Miterben getroffen werden können, kommt es auf die Zustimmung des minderjährigen Erben und die Zustimmung seiner gesetzlichen Vertreter nicht an. Dann entscheidet allein die Mehrheit.

Will der minderjährige Miterbe eine notwendige Erhaltungsmaßnahme treffen, kann er diese im Notfall ausnahmsweise auch alleine treffen, bedarf aber auch hierzu der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters (z.B. Beauftragung eines Installateurs bei einem Wasserrohrbruch).

Wie erfolgt die Auseinandersetzung in der Erbengemeinschaft?

Erbengemeinschaften sind nicht auf Dauer angelegt. Sie werden auseinandergesetzt. Bestenfalls hat der Erblasser für die Auseinandersetzung einen Testamentsvollstrecker eingesetzt, der die Auseinandersetzung betreibt und den Willen des Erblassers umsetzt. Ansonsten regeln die Mitglieder der Erbengemeinschaft die Auseinandersetzung vertraglich nach ihren Wünschen. Soweit ein Miterbe minderjährig ist, bedarf er im Regelfall der Zustimmung seiner gesetzlichen Vertreter. Ist der gesetzliche Vertreter (Elternteil, Vormund) gleichfalls Miterbe in der Erbengemeinschaft, muss zusätzlich ein Ergänzungspfleger bestellt werden, der die Interessen des minderjährigen Erben in der Erbengemeinschaft wahrnimmt.

Können sich die Miterben nicht einigen, kann jeder Miterbe die übrigen Miterben vor dem Nachlassgericht auf Zustimmung zu einem von ihm vorgelegten Auseinandersetzungsplan verklagen. Dabei ist der minderjährige Erbe durch seinen gesetzlichen Vertreter oder den Ergänzungspfleger zu vertreten. Statt der Auseinandersetzungsklage bei Gericht kann jeder Miterbe auch ein Vermittlungsverfahren bei einem Notar beantragen. Der Notar kann unter den Miterben vermitteln, kann aber nichts entscheiden.

Guter Rat zum Schluss

Erben Minderjährige, ist bereits der Erblasser gut beraten, die Interessen des minderjährigen Erben angemessen zu berücksichtigen. Dabei gilt es sicherzustellen, dass die Interessen des Erblassers im Sinne des minderjährigen Erben richtig umgesetzt werden. Eine gute Regelung im Testament kann gewährleisten, dass spätere Streitigkeiten oder Schwierigkeiten vermieden werden. Wenn Sie als Erblasser Ihr Testament mit diesem Ziel gestalten wollen, sollten Sie auf anwaltliche Beratung nicht verzichten.

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