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Nachlassverzeichnis: wann benötigt und wie wird es erstellt?

Foto Dr. jur. Stephan Seitz
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Zuletzt aktualisiert: 16. Oktober 2024
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Nachlassverzeichnis

  • Was ist ein Nachlassverzeichnis: Ein Nachlassverzeichnis ist eine detaillierte Aufstellung aller Vermögenswerte und Schulden, die eine verstorbene Person hinterlassen hat. Es dient als Grundlage für die Verteilung des Nachlasses und die Abwicklung des Nachlassverfahrens.
  • Arten und Erstellung: Es gibt private und notarielle Nachlassverzeichnisse, die vollständig und korrekt sein müssen. Sie enthalten umfassende Angaben zum Nachlass und erfüllen spezifische formale Anforderungen.
  • Zweck und Anwendung: Ein Nachlassverzeichnis wird zur Erfassung des Nachlasses, zur Berechnung von Pflichtteilsansprüchen, zur Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft und für steuerliche Zwecke erstellt. Es dient auch der Haftungsbegrenzung des Erben im Falle einer Überschuldung.
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Was ist ein Nachlassverzeichnis

Ein Nachlassverzeichnis ist die Zusammenstellung aller Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten, die eine verstorbene Person hinterlassen hat. Es handelt sich um eine detaillierte Auflistung aller Bankkonten, Immobilien, Wertpapiere, Mobiliar, Schmuck, Fahrzeuge und sonstigen Vermögenswerte sowie sämtlicher Schulden und Verpflichtungen.

Es wird auch als Inventar bezeichnet und bietet einen umfassenden Überblick über den Nachlass, insbesondere wenn dieser umfangreich ist und die Erben keinen genauen Überblick haben. Neben diesen „klassischen“ Gegenständen rückt heutzutage auch der sogenannte digitale Nachlass in den Fokus. Dazu gehören beispielsweise E-Mail-Konten, Online-Verträge und Social-Media-Profile, die zum Teil mit Kosten oder Forderungen verbunden sind.

Das Nachlassverzeichnis dient dazu, festzustellen, welche Vermögensgegenstände vorhanden sind und welche Verbindlichkeiten bestehen. Es bildet die Grundlage für die Verteilung des Nachlasses an die Erben und die Abwicklung des Nachlassverfahrens. Auch der Nachlasswert wird anhand der Werte zum Todeszeitpunkt des Erblassers ermittelt, abzüglich der damit zusammenhängenden Kosten.

Manche Rechte sind höchstpersönlich und nicht vererbbar, wie z. B. Vereinsmitgliedschaften oder Ansprüche aus einer reinen Risiko-Lebensversicherung mit direkter Bezugsberechtigung. Diese zählen folglich nicht zum Nachlass.
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Welche Arten von Nachlassverzeichnissen gibt es?

Es wird zwischen einem privaten Nachlassverzeichnis und einem notariellen Nachlassverzeichnis unterschieden.

  Privates Nachlassverzeichnis Notarielles Nachlassverzeichnis
Ersteller Erbe selbst Notar
Haftung Erbe haftet persönlich Notar haftet
Rechtssicherheit Geringer, Überprüfbarkeit durch Dritte fehlt Höher, durch notarielle Prüfung
Kosten Gering bis keine, außer bei Gutachterhinzuziehung Abhängig vom Nachlasswert

Erben dürfen nach deutschem Recht ein privates Nachlassverzeichnis erstellen, auch als einfaches Nachlassverzeichnis oder Inventar bezeichnet. Pflichtteilsberechtigte können jedoch gemäß § 2314 BGB ein notarielles Nachlassverzeichnis verlangen, das von einem Notar erstellt wird. Das notarielle Nachlassverzeichnis wird häufig von Pflichtteilsberechtigten eingefordert, da es eine höhere Rechtssicherheit bietet.

Ein notarisches Nachlassverzeichnis bietet zudem den Vorteil, dass der Notar eigene Nachforschungen anstellt, um sicherzustellen, dass alle Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten korrekt erfasst werden. Erben haften bei einem privaten Nachlassverzeichnis selbst für die Richtigkeit der Angaben, während bei einem notariellen Verzeichnis der Notar haftet.

Was ist der Unterschied zwischen einem privaten und einem notariellen Nachlassverzeichnis?

Sowohl privates als auch notarielles Nachlassverzeichnis müssen vollständig und konkret den Nachlass verzeichnen. Inhaltlich sind beide Verzeichnisse identisch. Sie unterscheiden sich aber darin, wie sie erstellt werden und darin, wie der richtige Inhalt gewährleistet wird.

Privates Nachlassverzeichnis

Das private Nachlassverzeichnis wird vom Erben erstellt und unterschrieben. Der Erbe haftet allein dafür, dass das Verzeichnis den Nachlass vollständig erfasst und inhaltlich korrekt ist. Da die Angaben des Erben nicht immer überprüfbar sind, können Personen, die das Recht haben, ein Nachlassverzeichnis anzufordern, verlangen:

  • bei der Erfassung des Nachlasses persönlich anwesend zu sein,
  • einzelne Nachlassgegenstände von einem Sachverständigen prüfen zu lassen und
  • zusätzlich ein notarielles Nachlassverzeichnis erstellen zu lassen, falls Zweifel an der Richtigkeit bestehen.

Kosten fallen beim privaten Nachlassverzeichnis erst an, wenn ein Gutachter hinzugezogen oder eine eidesstattliche Versicherung verlangt wird. Vor allem, wenn der Verkehrswert einzelner Vermögenswerte schwierig festzustellen ist, kann sich empfehlen, einen Sachverständigen beizuziehen. So ist der Erbe mit seinen Angaben auf der sicheren Seite und vermeidet möglicherweise unnötigen Streit.

Notarielles Nachlassverzeichnis

Gläubiger des Nachlasses und Pflichtteilsberechtigte haben das Recht, ausdrücklich die Errichtung eines notariellen Nachlassverzeichnisses zu verlangen. Der Erbe muss ein solches Verzeichnis auch dann noch erstellen lassen, wenn er bereits ein privates Verzeichnis erstellt hat. Das Nachlassgericht beauftragt dann einen Notar, der den Nachlass selbst überprüft und verzeichnet. Dazu muss der Notar eigene Ermittlungen anstellen. Es genügt nicht, wenn der Notar lediglich Erklärungen des Erben entgegennimmt oder ein schon vorhandenes privates Verzeichnis beurkundet, ohne eigene Nachforschungen anzustellen.

Die Kosten für ein notarielles Nachlassverzeichnis bemessen sich nach dem Nachlasswert. Bitte sehen Sie dazu unten.

Welchen Vorteil hat ein notarielles Nachlassverzeichnis?

Wird das Nachlassverzeichnis rechtzeitig errichtet, wird gesetzlich vermutet, dass zum Zeitpunkt des Erbfalls keine weiteren Nachlasswerte und Verbindlichkeiten als die im Nachlassverzeichnis verzeichneten Werte vorhanden sind (§ 2009 BGB). Über diesen Weg lässt sich die private Haftung des Erben mit seinem Privatvermögen vermeiden. Stellt sich nämlich heraus, dass der Nachlass überschuldet ist, bewahrt sich der Erbe die Option, die Nachlassverwaltung zu beantragen oder die Haftung im Wege entsprechender Einreden auf den Nachlass zu beschränken.

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Wer haftet für die Angaben im Nachlassverzeichnis?

Beim privaten Nachlassverzeichnis haften grundsätzlich die Erben für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben. Bei einem notariellen Nachlassverzeichnis übernimmt der Notar die Verantwortung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der aufgeführten Nachlassgegenstände.

In Sonderfällen wie der Testamentsvollstreckung wird das Verzeichnis oft vom Testamentsvollstrecker erstellt (siehe unten). Auch hier gilt, dass eine möglichst umfassende und sorgfältige Recherche vonnöten ist, damit keine Vermögenswerte oder Verbindlichkeiten übersehen werden.

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Wie wird ein Nachlassverzeichnis erstellt?

Die Nachlassaufstellung muss eine vollständige Übersicht über die Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten des Erblassers enthalten. Zu den typischen Angaben gehören:

  • Name, Geburts- und Todestag des Erblassers sowie Angaben zum Güterstand bei Verheirateten
  • Eine detaillierte Auflistung von Vermögensgegenständen wie Geldvermögen, Immobilien, Wertgegenständen (Schmuck, Kunst, Fahrzeuge), Firmenanteilen, Forderungen, Versicherungen und persönlichem Hausrat
  • Eine Übersicht über die Verbindlichkeiten des Erblassers, einschließlich offener Rechnungen, Hypotheken, Steuerschulden und anderen Verpflichtungen
  • Angabe von Schenkungen und Zuwendungen der letzten zehn Jahre, wie etwa Nießbrauchrechte oder Immobilienübertragungen
  • Eventuell vorhandene digitale Vermögenswerte (z. B. Onlinekonten), soweit ein wirtschaftlicher Wert oder laufende Zahlungsverpflichtungen bestehen

Wer zudem feststellt, dass Immobilien im Ausland vorhanden sind, sollte unbedingt auch dortige Grundbuchauszüge einholen oder – je nach Land – ein entsprechendes Nachweisdokument beantragen. Ggf. ist ein EU-Nachlasszeugnis oder eine lokale Erbnachweislösung erforderlich, um den Wert der Immobilie zu erfassen und die Rechtssituation korrekt abzubilden.

Zusätzlich können Pflichtteilsberechtigte gemäß § 2314 BGB eine Wertermittlung durch einen Sachverständigen verlangen, wobei die Kosten für diese Ermittlung den Nachlass mindern. Das ist insbesondere auch dann wichtig, wenn es um im Ausland gelegene Vermögenswerte geht, bei denen nicht immer ohne Weiteres ein einheitlicher Verkehrswert ermittelt werden kann.

Auch nicht offensichtliche Verbindlichkeiten gehören in das Verzeichnis. Dazu zählen z. B. Unterhaltsverpflichtungen, ausstehende Steuerforderungen oder Darlehensschulden, die der Erblasser zu Lebzeiten eingegangen ist. Gerade bei Steuerschulden empfiehlt es sich, das zuständige Finanzamt frühzeitig zu kontaktieren und ggf. Rückstände zu recherchieren.

Schenkungen und Zuwendungen der letzten zehn Jahre sind besonders relevant, weil sie im Pflichtteilsrecht eine Rolle spielen (Stichwort Pflichtteilsergänzungsanspruch). Dazu sollten Erben Kontobewegungen und größere Überweisungen, Schenkungsverträge oder notarielle Urkunden prüfen, um eventuelle Geschenk- oder Übertragungsakte rechtzeitig zu ermitteln.

Abschließend gilt: Können die Erben bei Banken, Versicherungen oder anderen Institutionen keine Auskunft erhalten, weil sie ihr Erbrecht nicht nachweisen können, ist in der Regel ein Erbschein oder ein notarielles Testament erforderlich, um Auskünfte über Kontostände oder Verträge zu bekommen. Der Erbschein wird beim Nachlassgericht (Amtsgericht) beantragt und kostet je nach Nachlasswert Gebühren.

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Was kostet ein Nachlassverzeichnis?

Für eine private Nachlassaufstellung fallen in der Regel keine Kosten an, es sei denn, es werden Gutachter hinzugezogen, um etwa den Wert von Immobilien zu ermitteln. Ein notarielles Nachlassverzeichnis hingegen verursacht Kosten, die sich nach dem Nachlasswert richten. Nach dem Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG) beträgt die Notargebühr für ein Nachlassverzeichnis bei 500.000 € Nachlasswert etwas mehr als 2.000 €.

Die Kosten werden aus dem Nachlass beglichen, sodass die Erben lediglich die Kosten für eine eventuell erforderliche eidesstattliche Versicherung tragen müssen.

Thumbnail Nachlassverzeichnis
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Frist Erstellung Nachlassverzeichnis: Wann muss ein Nachlassverzeichnis erstellt werden?

Der Erbfall selbst begründet keine Nachlassverzeichnis Pflicht des Erben, ein Nachlassverzeichnis zu erstellen. Damit gibt es auch keine starren gesetzlichen Fristen.

Allerdings gibt es Situationen, in denen de facto Fristen gesetzt oder relevant werden:

  • Fordert ein pflichtteilsberechtigter Erbe vom Erben ein Nachlassverzeichnis, kann er dem Erben selbst eine Frist setzen und für den Fall der Nichtbeachtung rechtliche Schritte androhen. In der Praxis akzeptieren Gerichte häufig eine recht kurze Zeitspanne (zum Beispiel 1 Monat für ein privates Nachlassverzeichnis), wohingegen bei einem notariellen Verzeichnis oft 3 bis 4 Monate als angemessen gelten.
  • Wird das Nachlassverzeichnis von einem Nachlassgläubiger gefordert, bestimmt das Nachlassgericht eine Frist von mindestens einem und höchstens drei Monaten. Kann der Erbe unverschuldet die Frist nicht wahren, kann er eine Verlängerung der Frist beantragen (§ 1995 BGB). Versäumt der Erbe auch die verlängerte Frist, haftet er mit seinem privaten Vermögen für die Nachlassverbindlichkeiten des Erblassers.

Gerade für pflichtteilsberechtigte Personen ist es wichtig, nicht vorschnell gerichtliche Schritte (z. B. eine Auskunftsklage) einzuleiten, da ein sogenanntes „sofortiges Anerkenntnis“ (§ 93 ZPO) durch den Erben zu einem unerwarteten Kostenrisiko führen kann. Die Gerichte verurteilen zwar den Erben zur Vorlage des Nachlassverzeichnisses, können die Kosten aber dem obsiegenden Pflichtteilsberechtigten aufbürden, wenn der Erbe im Prozess sogleich anerkennt.

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Nachlassverzeichnis zur Erfassung des Nachlasses

Wer Erbe wird, muss entscheiden, ob er die Erbschaft annimmt oder ausschlägt. Insoweit empfiehlt es sich, zum Überblick über die Vermögenswerte und die Verbindlichkeiten des Nachlasses im eigenen Interesse freiwillig ein Nachlassverzeichnis zu erstellen.

Das Ergebnis kann Grundlage für die Entscheidung sein, die Erbschaft anzutreten oder einen überschuldeten Nachlass auszuschlagen. Dies gilt umso mehr, als die Ausschlagung nur innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Anfall und Kenntnis des Erbfalls möglich ist.

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Nachlassverzeichnis anfordern: Nachlassverzeichnis auf Verlangen des Pflichtteilsberechtigten

Am häufigsten wird ein Nachlassverzeichnis im Pflichtteilsrecht gefordert. Hat der Erblasser einen gesetzlichen Erben durch Testament oder Erbvertrag von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen, hat der Erbe immer noch einen Pflichtteilsanspruch. Um den Pflichtteil zu berechnen, ist der Pflichtteilsberechtigte darauf angewiesen, in Erfahrung zu bringen, was zum Nachlass gehört und welchen Wert die Nachlassgegenstände haben. Das Gesetz gewährt dem Pflichtteilsberechtigten einen Auskunftsanspruch (§ 2314 BGB). Deshalb muss der Erbe den Pflichtteilsberechtigten darüber unterrichten, was der Erblasser hinterlassen hat.

Häufig ausreichend: Verzeichnis der Nachlassgegenstände

Im einfachsten Fall genügt es, ein Verzeichnis der Nachlassgegenstände und der Nachlassverbindlichkeiten zu erstellen sowie Schenkungen der letzten zehn Jahre und ausgleichs- und anrechnungspflichtige Zuwendungen an andere Pflichtteilsberechtigte anzugeben.

Nicht ungewöhnlich: selbst erstelltes oder notarielles Nachlassverzeichnis

Fordert der Pflichtteilsberechtigte ein Nachlassverzeichnis, kann er dem Erben selbst zur Erstellung eine Frist setzen und für den Fall der Nichtbeachtung rechtliche Konsequenzen (z. B. Auskunftsklage im Rahmen einer Stufenklage) androhen.

Soweit zwischen dem Pflichtteilsberechtigten und dem Erben kein Misstrauen besteht, wird ein vom Erben selbst erstelltes Verzeichnis genügen. Der Pflichtteilsberechtigte kann verlangen, an der Aufstellung des Nachlassverzeichnisses beteiligt zu werden. Zusätzlich kann er fordern, einen Notar hinzuzuziehen. Aufgabe des Notars ist es, zu gewährleisten, dass das Verzeichnis ordnungsgemäß erstellt wird. Dies gilt auch, wenn der Erbe bereits ein privatschriftliches Verzeichnis erstellt hat.

Der Notar hat den Nachlassbestand selbst zu ermitteln und muss dazu eigene Nachforschungen anstellen. Er darf sich nicht auf die Erklärungen des Erben oder ein schon vorhandenes privates Verzeichnis beschränken. In der Praxis ergibt sich oft das Problem, dass der Notar relativ spät einbezogen wird und dann nur noch ermitteln kann, was vorhanden ist. Das Ergebnis hängt weitgehend vom Engagement des Notars ab.

Bei Zweifeln: Versicherung an Eides statt

Bestehen Zweifel, ob das Verzeichnis vollständig ist, kann der Pflichtteilsberechtigte den Erben auffordern, gegenüber dem Nachlassgericht an Eides statt zu versichern, dass er die Nachlassgegenstände nach bestem Wissen und Gewissen vollständig angegeben habe. Bei diesem Schritt ist allerdings zu beachten, dass eine falsche oder fahrlässig falsche eidesstattliche Versicherung strafbar sein kann (§§ 156, 161 StGB). Der Erbe sollte also zuvor sorgfältig prüfen, ob seine Angaben tatsächlich vollständig sind. Umgekehrt schützt diese Maßnahme den Pflichtteilsberechtigten davor, dass einzelne Nachlasswerte „unter den Tisch fallen“.

Besonderheit im Pflichtteilsrecht: Wertermittlung verlangen

Wenn das Nachlassverzeichnis lediglich die Auflistung der Vermögensgegenstände beinhaltet, kann weiterhin Unsicherheit darüber bestehen, welchen finanziellen Wert oder Verkehrswert ein einzelner Vermögensgegenstand besitzt. Um den Pflichtteilsanspruch genau zu bestimmen, ist es in der Regel notwendig, neben dem reinen Auskunftsanspruch auch den sogenannten Wertermittlungsanspruch gemäß § 2314 BGB geltend zu machen. Der Erbe ist verpflichtet, den Wert der einzelnen Nachlassgegenstände zu ermitteln oder ermitteln zu lassen. Falls hierfür fachkundige Unterstützung Dritter erforderlich ist, ist meist ein Sachverständigengutachten notwendig. Die dafür anfallenden Kosten werden aus dem Nachlass getragen.

Um ein möglichst objektives Sachverständigengutachten zu erhalten, empfiehlt es sich, dass Sie sich gemeinsam mit dem Erben auf die Auswahl eines bestimmten Sachverständigen einigen. Andernfalls liegt die Wahl des Sachverständigen im Ermessen des Erben.

Weigert sich der Erbe beim Nachlassverzeichnis Erbengemeinschaft, einen Sachverständigen zu beauftragen, können Sie selbst ein Gutachten in Auftrag geben. Falls der Sachverständige einen Vorschuss verlangt, müssen Sie die Kosten zunächst selbst tragen. Wird Ihrem Anspruch letztlich stattgegeben, müssen der Erbe oder die Erbengemeinschaft die vorgelegten Kosten für den Sachverständigen aus dem Nachlass erstatten.

Verzinsung von Pflichtteilsansprüchen: Sobald der Erbe sich mit der Auskunft oder der Zahlung in Verzug befindet, können auf den Pflichtteilsbetrag Verzugszinsen anfallen. Dies sollten Erben bedenken, wenn sie sich mit der Erstellung des Nachlassverzeichnisses zu lange Zeit lassen.

Thema vertiefen? Hier gibt es alle Details zum Auskunftsanspruch und Wertermittlungsanspruch des Pflichtteilsberechtigten!

Erfahren Sie, wie Sie trotz Enterbung zu Ihrem Pflichtteilsrecht kommen und den wahren Wert des Nachlasses ermitteln können. In diesem Beitrag erhalten Sie nicht nur wertvolle Tipps zum Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch, sondern auch praxisnahe Anleitungen und Musterbriefe, um Ihre Ansprüche sicher durchzusetzen.

Abschnitt 9 von 13

Nachlassverzeichnis Erbengemeinschaft zur Auseinandersetzung

Um eine Erbengemeinschaft auseinanderzusetzen, muss jeder Erbe wissen, welche Vermögenswerte und Verbindlichkeiten vorhanden sind. Vor allem, wenn ein Miterbe keinen direkten Zugriff auf den Nachlass hat, empfiehlt es sich zur Vermeidung von Streitigkeiten, sämtliche Vermögenswerte und Verbindlichkeiten zu erfassen und diese möglichst so zu bewerten, dass alle Miterben einverstanden sind. Ein Nachlassverzeichnis kann insoweit hilfreich sein, die Erbengemeinschaft auseinanderzusetzen.

Beachtet werden sollte zudem, dass Auskunftsansprüche innerhalb der Erbengemeinschaft nicht automatisch bestehen, wenn ein Miterbe Informationen zurückhält. Ist ein Miterbe im Besitz bestimmter Unterlagen oder weiß konkret über Bankverbindungen, Versicherungen und sonstige Vermögenswerte Bescheid, kann sich ein Auskunftsanspruch aber aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergeben, wenn die anderen Erben keine Möglichkeit haben, an diese Informationen zu gelangen.

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Nachlassverzeichnis durch den Testamentsvollstrecker

Hat der Erblasser im Testament einen Testamentsvollstrecker bestimmt, muss dieser sofort nach dem Erbfall und sobald er den Umfang des Nachlasses überblickt, ein Verzeichnis der zum Nachlass gehörenden Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten erstellen und den Erben zukommen lassen (§ 2215 BGB).

Auf Verlangen muss der Testamentsvollstrecker seine Unterschrift unter dem Nachlassverzeichnis öffentlich beglaubigen lassen. Jeder Erbe kann verlangen, bei der Aufnahme des Verzeichnisses hinzugezogen zu werden. Zudem kann der Testamentsvollstrecker die Aufnahme durch eine zuständige Behörde oder einen Notar vornehmen lassen. Die Kosten gehen zu Lasten des Nachlasses.

Da ein Testamentsvollstrecker die Verfügungsgewalt über den Nachlass besitzt, liegt es maßgeblich an ihm, sämtliche Vermögenswerte aufzudecken und korrekt zu erfassen. Erben haben in dieser Konstellation nicht mehr ohne Weiteres Zugriff auf Konten oder Schließfächer. Daher sollte stets klar abgesprochen sein, welche Unterlagen oder Recherchen noch durch die Erben erfolgen können, um das Verzeichnis zu vervollständigen.
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Nachlassverzeichnis auf Antrag eines Gläubigers des Nachlasses

Errichtet der Erbe auf freiwilliger Basis oder auf Antrag eines Gläubigers ein Nachlassverzeichnis, kann er die persönliche Haftung auf den Nachlass beschränken und verhindern, dass er gegenüber den Gläubigern des Nachlasses mit dem Privatvermögen haftet (§ 1993 BGB). Insoweit ist das Nachlassverzeichnis Grundvoraussetzung für die darauf aufbauende Haftungsbeschränkung auf den Nachlass.

Ist das Inventarverzeichnis auf Antrag eines Gläubigers zu entrichten, bestimmt das Nachlassgericht dem Erben eine Inventarfrist von einem bis drei Monaten.

Wird das Inventarverzeichnis errichtet, vermutet das Gesetz im Verhältnis zu den Nachlassgläubigern, dass zur Zeit des Erbfalls keine weiteren Nachlasswerte als die im Nachlassverzeichnis verzeichneten Werte vorhanden waren. Dies bedeutet umgekehrt, dass der Erbe unbeschränkt und damit auch mit seinem Privatvermögen haftet, wenn er das Nachlassverzeichnis nicht rechtzeitig erstellt.

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Sonstige Gründe ein Nachlassverzeichnis anzufordern oder zu erstellen

  • Nachlassverzeichnis bei Erbschaftssteuer: Ist der Erbteil erbschaftssteuerpflichtig, muss der Erbe eine Erbschaftssteuererklärung beim Finanzamt abgeben und ein Nachlassverzeichnis beifügen. Dabei sind auch etwaige Verbindlichkeiten (z. B. Hypotheken oder Darlehen) und Versicherungsleistungen ohne Bezugsberechtigten aufzulisten.
  • Nachlassverzeichnis im Erbscheinverfahren: Beantragt der Erbe einen Erbschein, muss er beim Nachlassgericht, nicht zuletzt zur Bemessung der Gebühren für das Erbscheinverfahren, ein Verzeichnis des Nachlasses einreichen. Hierzu übersendet das Nachlassgericht dem Erben einen umfangreichen Fragebogen, in dem auch Schenkungen, Auslandsimmobilien und sonstige Vermögenswerte erfasst werden sollten.
  • Nachlassverzeichnis bei minderjährigen Erben: Ist der Erbe minderjährig, verwalten die Eltern bis zur Volljährigkeit den Nachlass. Dazu müssen die Eltern ein Verzeichnis über den Nachlass erstellen und beim Familiengericht einreichen. Diese Verpflichtung besteht nicht, wenn der Wert des Nachlasses 15.000 € nicht übersteigt (§ 1640 BGB).
  • Nachlassverzeichnis bei Vor- und Nacherbschaft: Ist der Erbe lediglich Vorerbe, ist er verpflichtet, auf Verlangen des Nacherben ein Nachlassverzeichnis anzufertigen (§ 2121 BGB). Der Nacherbe erhält einen Überblick über den Nachlass und Kenntnis, mit welchen Vermögenswerten er bei Eintritt des Nacherbfalls zu rechnen hat. Anders als üblich, wird dazu nicht auf den Todeszeitpunkt des Erblassers abgestellt, sondern auf den Zeitpunkt, zu dem das Verzeichnis erstellt wird.
  • Haftungsbeschränkung bei verschuldetem Nachlass: Eine besondere Bedeutung hat das Nachlassverzeichnis, wenn ein Erbe bei einem offensichtlich überschuldeten Nachlass seine Haftung auf den Nachlass beschränken und verhindern möchte, dass er für Verbindlichkeiten des Nachlasses auch mit seinem privaten Vermögen haftet. Der Erbe und jeder Miterbe ist berechtigt, ein Verzeichnis des Nachlasses beim Nachlassgericht einzureichen (Inventarerrichtung nach § 1993 BGB). Zwar führt allein die Erstellung des Nachlassverzeichnisses noch nicht zur Haftungsbeschränkung. Der Erbe bewahrt sich aber das Recht, seine Haftung auf den Nachlass zu beschränken und sein privates Vermögen vor dem Zugriff von Gläubigern zu schützen.

Gelegentlich wird auch die Frage relevant, ob Schenkungen oder Versicherungsleistungen mit direkter Bezugsberechtigung tatsächlich zum Nachlass gehören. Hier gilt: Eine Kapitallebensversicherung kann zum Beispiel außerhalb des Nachlasses ausgezahlt werden, falls der Erblasser im Vertrag ausdrücklich jemanden als Bezugsberechtigten eingesetzt hat. Solche Leistungen gehören dann nicht ins Nachlassverzeichnis.

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Was ist zu tun, wenn ein Nachlassverzeichnis lücken- oder fehlerhaft erscheint?

Bezweifelt ein Pflichtteilsberechtigter, Nachlassgläubiger oder Vermächtnisnehmer, dass der Erbe das Nachlassverzeichnis formell und inhaltlich richtig erstellt hat, ...

  • sollte der Erbe zunächst aufgefordert werden, hierzu Stellung zu nehmen und gegebenenfalls nachzubessern.
  • Zweckmäßiger erscheint aber oft, den Erben aufzufordern, ein notarielles Nachlassverzeichnis erstellen zu lassen.
  • Außerdem ist der Erbe verpflichtet, auf Verlangen eidesstattlich zu versichern, dass das Nachlassverzeichnis vollständig und richtig erstellt wurde (gegebenenfalls gerichtlich durchsetzbar).

Kommt es zum Streit oder sind relevante Informationen (insbesondere auch zum digitalen Nachlass) zweifelhaft, kann es ratsam sein, rechtlichen Beistand hinzuzuziehen und notfalls gerichtlich Auskunft oder Versicherung an Eides statt zu verlangen. Gerade bei verschachtelten Vermögensstrukturen, Auslandsimmobilien oder älteren Schenkungen kann ein spezialisierter Anwalt oder Notar helfen, Lücken aufzudecken oder zu schließen.

Icon Quellen

Quellenangaben und weiterführende Literatur

Die Informationen auf dieser Seite sind sorgfältig recherchiert und zusammengetragen. Folgende Quellen und weiterführende Literatur empfehle ich im Kontext Nachlassverzeichnis

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