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Ausgleichungspflicht Erbengemeinschaft: Anrechnung Vorempfänge bei Auseinandersetzung

Foto Dr. jur. Stephan Seitz
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Zuletzt aktualisiert: 13. Januar 2025
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Icon Ausgleichungspflicht Erbengemeinschaft Die schnelle Antwort

Ausgleichungspflicht Erbengemeinschaft

Abschnitt 1 von 7

Was versteht man unter der Ausgleichungspflicht für Vorempfänge?

Bei Vorempfängen handelt es sich um Zuwendungen des Erblassers an einen Abkömmling gleichen Grades (Tochter, Sohn, Enkel …), die dieser noch zu Lebzeiten erhalten hat und die vom Umfang her so erheblich sind, dass sie eine Gleichbehandlung der Abkömmlinge im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge vereiteln würden. In den §§ 2050 ff. BGB ist geregelt, unter welchen Umständen diese Zuwendungen bei der Erbauseinandersetzung zu berücksichtigen sind.

Warum gibt es diese Regelung? Im Grundsatz kann der Erblasser mit seinem Vermögen machen, was er will. Die gesetzliche Erbfolge greift jedoch dann, wenn der Erblasser kein Testament erstellt hat. Der Gesetzgeber unterstellt in diesem Fall, dass der Erblasser alle seine Abkömmlinge gleich behandeln wollte. Um diese Gleichbehandlung zu gewährleisten, werden bestimmte lebzeitige Zuwendungen in die Berechnung des Auseinandersetzungsguthabens einbezogen. Die Empfänger solcher Zuwendungen müssen sich den Wert auf ihren Erbteil anrechnen lassen.
Abzugrenzung: Die Ausgleichungspflicht von Vorempfängen ist zu unterscheiden vom Ausgleichsanspruch nach § 2057a BGB. Dort geht es um besondere Leistungen (z.B. Pflegeleistungen) eines Abkömmlings, die zur Erhaltung oder Vermehrung des Vermögens des Erblassers geführt haben und ohne angemessenes Entgelt erbracht wurden. Dieser Abkömmling soll dafür mehr erhalten, nicht weniger.
Abschnitt 2 von 7

Welche Zuwendungen müssen Miterben einer Erbengemeinschaft ausgleichen?

Die Zuwendungen, die eine Ausgleichspflicht auslösen können, sind in §§ 2050 ff. BGB geregelt. Gemeinsam ist ihnen, dass sie:

  • vom Erblasser noch zu dessen Lebzeiten vorgenommen wurden,
  • wirtschaftlich vorteilhaft sind und
  • keine oder nur eine geringere Gegenleistung vorliegt.

Der Erblasser kann bei der Zuwendung allerdings bestimmen, dass keine Ausgleichungspflicht entstehen soll. Dies ist aber nur möglich, soweit hierdurch nicht das Pflichtteilsrecht anderer Erben beeinträchtigt wird (§ 2316 Abs. 3 BGB).

Ausgleichungspflichtig sind insbesondere:

  • Ausstattung, § 2050 (1) BGB: alle Zuwendungen im Hinblick auf Heirat, Begründung oder Erhaltung einer selbständigen Lebensstellung
  • Zuschüsse, die als Einkünfte dienen sollen, § 2050 (2) BGB: sie sind nur insoweit auszugleichen, als sie das den Vermögensverhältnissen des Erblassers entsprechende Maß übersteigen; demnach kommt es nicht auf die Höhe der Zuwendung an, sondern auf die Vermögensverhältnisse beim Erblasser; immer dann, wenn der Erblasser im Zeitpunkt der Zuwendung glauben konnte, dass er trotz dieser Zuwendung die Rechte der übrigen Abkömmlinge erfüllen kann, übersteigt dies nicht seine Vermögensverhältnisse
  • Andere Zuwendungen, § 2050 (3) BGB: für Zuwendungen, die nicht unter die gerade genannten beiden zwei Fälle fallen, findet im Grundsatz keine Ausgleichung statt. Allerdings kann der Erblasser bei der Zuwendung die Ausgleichung anordnen, dann ist sie vorzunehmen; das ist unabhängig davon, ob die Zuwendung übermäßig ist oder nicht
Beispielsweise kann eine solche Zuwendung darin bestehen, dass die heiratende Tochter ein Haus bekommt oder dass der Sohn für den Start in die Selbständigkeit einen höheren Geldbetrag erhält. Werden diese Zuwendungen nicht berücksichtigt, würde das Erbe in der gesetzlichen Erbfolge unfair verteilt werden. Daher erhöht man rechnerisch den Nachlass um diese Vorempfänge und zieht sie anschließend vom Erbteil des Empfängers wieder ab.
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Anrechnung von lebzeitigen Schenkungen und Zuwendungen auf den Erbteil

Differenzen zwischen rechnerischer Höhe des Erbteils und tatsächlichem Anspruch: Abkömmlinge (Kinder, Enkelkinder), die als gesetzliche Erben berufen sind, sollen grundsätzlich gleichmäßig am Vermögen des Erblassers beteiligt werden. Das Erbrecht will diese gesetzlichen Erben gleich behandeln. Lebzeitige Zuwendungen an einzelne Abkömmlinge können dazu führen, dass diese Gleichbehandlung nicht mehr gewahrt wäre.

Gesetzliche Grundlage: Die §§ 2055 ff. BGB regeln die konkrete Durchführung der Ausgleichung. Sämtliche ausgleichspflichtigen Zuwendungen werden dem Nachlass hinzugerechnet und vom Anteil des jeweils ausgleichpflichtigen Miterben abgezogen. Soweit Miterben (z.B. Ehegatten) nicht der Ausgleichungspflicht unterliegen, sind deren Erbteile vorweg zu bestimmen (vgl. § 2055 Abs. 1 Satz 2 BGB).

Auch wichtig: Sollte sich rechnerisch ergeben, dass ein Miterbe bereits mehr erhalten hat, als ihm zusteht, besteht keine Nachschusspflicht. Nach § 2056 BGB geht der Gesetzgeber davon aus, dass diese Zuwendung endgültig gewollt war.

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Anrechnung von lebzeitigen Schenkungen und Zuwendungen auf den Erbteil

Differenzen zwischen rechnerischer Höhe des Erbteils und tatsächlichem Anspruch:
Abkömmlinge (Kinder, Enkelkinder), die als gesetzliche Erben berufen sind, sollen grundsätzlich gleichmäßig am Vermögen des Erblassers beteiligt werden. Überträgt der Erblasser jedoch einem seiner Kinder oder Enkel bereits zu Lebzeiten wertvolle Vermögensgegenstände, kann dies zu einer Ungleichbehandlung führen.

Gesetzliche Grundlage:
Die §§ 2055 ff. BGB regeln, wie bei der Erbauseinandersetzung mit solchen Vorempfängen umzugehen ist. Ausgleichspflichtige Zuwendungen werden dem Nachlass rechnerisch hinzugerechnet. Danach wird der Erbteil jedes gesetzlich erbenden Abkömmlings ermittelt und bei jenen, die bereits eine Zuwendung erhielten, um diesen Wert gekürzt. Soweit Miterben – etwa Ehegatten – nicht ausgleichspflichtig sind, werden ihre Erbteile vorweg bestimmt (vgl. § 2055 Abs. 1 Satz 2 BGB).

Wichtig:
Wenn sich herausstellt, dass ein Miterbe durch Vorempfänge bereits mehr bekommen hat, als seinem Erbteil entspricht, muss er den Überschuss nicht zurückzahlen (keine Nachschusspflicht). Nach § 2056 BGB nimmt man an, dass die Zuwendung endgültig gewollt war. Der betreffende Erbe bleibt bei der Erbteilung dann einfach unberücksichtigt oder erhält nur einen entsprechend verringerten Anteil.

Thumbnail Ausgleichungspflicht Erbengemeinschaft
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Wer muss ausgleichen und welcher Miterbe kann einen Ausgleich verlangen?

Ausgleichungspflichtig sind Abkömmlinge des Erblassers, deren Erbrecht auf gesetzlicher Erbfolge beruht. Gleichgestellt ist die Situation, dass die Abkömmlinge zwar durch Testament eingesetzt sind, diese Einsetzung aber der gesetzlichen Erbfolge entspricht. Ausgleichungsberechtigt sind wiederum alle übrigen Abkömmlinge, die gesetzliche Erben sind. Der jeweilige Grad (Kind, Enkelkind) spielt eine Rolle für die detaillierte Berechnung. Ehegatten sind keine Abkömmlinge des Erblassers und somit weder ausgleichungspflichtig noch ausgleichungsberechtigt.

Besteht hingegen eine gewillkürte Erbfolge (Testament, Erbvertrag) abseits der gesetzlichen Erbfolge, und hat der Erblasser keine Anordnung zur Ausgleichung getroffen, findet keine Ausgleichspflicht statt. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass der Erblasser bei seiner Testamentsgestaltung die zu Lebzeiten gewährten Zuwendungen berücksichtigt hat.

Sie hinterlassen drei Kinder und setzen Kind A zu Ihrem Alleinerben ein. Kind A hat bereits zu Lebzeiten erhebliche Zuwendungen erhalten. Da das Erbrecht von Kind A nicht auf der gesetzlichen Erbfolge, sondern auf Ihrer testamentarischen Verfügung beruht, ist es gegenüber den Geschwistern B und C nicht ausgleichspflichtig. Die Kinder B und C haben nur Anspruch auf ihren Pflichtteil.
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Praxisbeispiele zur Ausgleichungspflicht in der Erbengemeinschaft

Bei der Auseinandersetzung muss zunächst der Nachlass ermittelt und der Wert aller ausgleichspflichtigen Zuwendungen hinzugefügt werden. Anschließend wird für jeden Miterben der rechnerische Anteil ermittelt; jene, die Vorempfänge erhalten haben, müssen sich diese Beträge anrechnen lassen.

Pflicht zur Offenlegung: Um die Ausgleichung in der Praxis überhaupt durchführen zu können, sind alle Miterben verpflichtet, über die empfangenen Vorempfänge Auskunft zu erteilen (§ 2057 BGB). Jeder einzelne ausgleichsbeteiligte Miterbe kann Auskunft verlangen.

Praxis-Beispiel 1: Die heiratende Tochter bekommt ein Haus; dem Sohn wird die elterliche Firma übertragen; der Erblasser finanziert der Tochter nicht nur ihr Studium, sondern auch die anschließende Promotion; der Sohn bekommt einen höheren Geldbetrag zum Start in die Selbständigkeit.

Hier bestimmen §§ 2050 ff. BGB, dass solche Vorempfänge im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge auszugleichen sind, sofern der Erblasser nichts Abweichendes angeordnet hat. Im Rahmen der Erbauseinandersetzung wird der Nachlasswert rechnerisch um die Vorempfänge erhöht und anschließend vom Erbteil des jeweiligen Empfängers abgezogen.

Praxis-Beispiel 2: Angenommen, Sie leben mit Ihrer Ehefrau im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft und hinterlassen Ihrer Ehefrau und Ihren drei Kindern A, B und C einen Nachlass im Wert von 200.000 €. Kind A hat aus Anlass seiner Eheschließung eine Aussteuer im Wert von 20.000 € und Kind B einen Betrag von 30.000 € im Hinblick auf seine Berufsausbildung erhalten. Sie haben ausdrücklich bestimmt, dass diese Zuwendungen im Erbfall ausgleichspflichtig sind.

Die Erbteile berechnen sich wie folgt:

  • Ehegatte: erhält ein Viertel als gesetzlichen Erbteil und ein weiteres Viertel als Zugewinnausgleich, insgesamt also 100.000 €. Sie ist keine Abkömmling, daher braucht sie nichts auszugleichen.
  • Die restlichen 100.000 € sind auf die drei Kinder zu verteilen.
  • Die Zuwendungen an A (20.000 €) und B (30.000 €) werden dem Nachlass rechnerisch hinzugerechnet, sodass sich unter den Kindern ein Ausgleichungsnachlass von 150.000 € ergibt.
  • Jedes der drei Kinder hat daran einen rechnerischen Anteil von 50.000 €. Da A sich 20.000 € und B sich 30.000 € anrechnen lassen müssen, bekommt A noch 30.000 €, B 20.000 € und C 50.000 €.

Abwandlung des Beispiels:
Hätte Kind A bereits 60.000 € als Zuwendung erhalten und Kind B 30.000 €, während C nichts erhalten hat, ergäbe sich Folgendes:

  • Ehegatte bleibt bei 100.000 €.
  • Kind A hat bereits mehr erhalten, als seinem rechnerischen Anteil entspricht, muss aber nichts zurückzahlen (keine Nachschusspflicht). Es bleibt nach § 2056 BGB außer Betracht.
  • Die Ausgleichung erfolgt nur zwischen B und C. Dem Wert des verbleibenden Nachlasses (100.000 €) wird B’s Vorempfang (30.000 €) hinzugerechnet, sodass sich 130.000 € ergeben. B und C haben also je 65.000 € als rechnerischen Anteil. Da B bereits 30.000 € bekam, erhält es jetzt noch 35.000 €, während C die vollen 65.000 € bekommt.
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Fazit: Ausgleichung unter Miterben ist eine Frage des Einzelfalls

Die Ausgleichung von Vorempfängen kann in der Praxis sehr komplex sein. Gerade bei größeren Vermögen und vielfältigen Zuwendungen (z.B. Haus, Firmengut, Geldbeträge, Studienfinanzierung) stellt sich oft die Frage, ob und in welcher Höhe diese Zuwendungen anzurechnen sind. Ebenso können Erbverzicht, Ausschlagung und weitere Faktoren die Berechnung beeinflussen.

Icon Quellen

Quellenangaben und weiterführende Literatur

Die Informationen auf dieser Seite sind sorgfältig recherchiert und zusammengetragen. Folgende Quellen und weiterführende Literatur empfehle ich im Kontext Ausgleichungspflicht Erbengemeinschaft

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