Anrechnung von lebzeitigen Schenkungen und Zuwendungen auf den Erbteil
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Inhaltsverzeichnis: Darum geht es auf dieser Seite
- Differenzen zwischen rechnerischer Höhe des Erbteils und tatsächlichem Anspruch
- Was bedeutet die Anrechnung von lebzeitigen Schenkungen und Zuwendungen auf den Erbteil?
- Wie erfolgt die Anrechnung?
- Ausgleichspflicht besteht nur bei gesetzlicher Erbfolge
- Wichtig zu wissen
- Welche Zuwendungen unterliegen der Ausgleichspflicht?
- Wann sind Zuwendungen übermäßig?
- Auskunftspflicht bei Zuwendungen
Mein Name ist Stephan Seitz, ich bin Jurist und war vor wenigen Jahren selbst Teil einer Erbengemeinschaft. Dabei wurde mir klar: Miterben wollen keinen Streit, sondern eine Lösung. Alles was Sie dafür wissen müssen, schreibe ich hier auf. Mehr zu meiner Person.
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Differenzen zwischen rechnerischer Höhe des Erbteils und tatsächlichem Anspruch
Abkömmlinge des Erblassers (Kinder und Enkelkinder), die als gesetzliche Erben berufen sind, sollen gleichmäßig am Vermögen des Erblassers beteiligt werden. Das Erbrecht will diese gesetzlichen Erben gleich behandeln. Haben Sie als Erblasser andere Vorstellungen, können Sie Ihre Erben in einer Verfügung von Todes wegen jederzeit anders bedenken.
Was bedeutet die Anrechnung von lebzeitigen Schenkungen und Zuwendungen auf den Erbteil?
Das Gesetz geht davon aus, dass diese Gleichbehandlung im Allgemeinen dem Willen des Erblassers entspricht und dann beeinträchtigt erscheint, wenn einzelne Abkömmlinge bereits zu Lebzeiten des Erblassers besondere Zuwendungen aus dessen Vermögen erhalten haben. In bestimmten Fällen sind die Miterben daher verpflichtet, solche Zuwendungen bei der Auseinandersetzung des Nachlasses auszugleichen.
Wie erfolgt die Anrechnung?
Wie die Ausgleichung (Anrechnung) durchzuführen ist, regeln §§ 2055 ff BGB. Danach sind sämtliche ausgleichpflichtigen Zuwendungen dem Nachlass hinzuzurechnen und vom Anteil des jeweils ausgleichpflichtigen Miterben abzuziehen. Soweit Miterben nicht an der Ausgleichung zu beteiligen sind (z.B. der Ehegatte), sind deren Anteile vorweg zu bestimmen. Die Ausgleichung findet also nur unter den ausgleichsbeteiligten Miterben statt (§ 2055 Abs. I, 2 BGB).
Die Erbteile berechnen sich so: …
- Ihre Ehefrau erhält als gesetzlichen Erbteil 1/4 und als Zugewinnausgleich ein zusätzliches 1/4 Ihres Nachlasses, insgesamt also 100.000 €. Da sie gemäß § 2050 Abs. I BGB kein Abkömmling ist, braucht sie sich auch nichts anrechnen zu lassen. Die Ausgleichung findet nur unter Abkömmlingen statt.
- Die restlichen 100.000 € Ihres Nachlasses sind unter Ihren Kindern aufzuteilen. Die auszugleichenden Zuwendungen an Ihre Kinder A (20.000 €) und B (30.000 €) sind dem Nachlass rechnerisch hinzuzurechnen. Daraus ergibt sich unter den Kindern ein Ausgleichungsnachlass von insgesamt 150.000 €.
Jedem Ihrer drei Kinder stünden nach dem Verhältnis gleicher Erbteile rein rechnerisch 50.000 € zu. Darauf müsste sich Kind A 20.000 € sowie Kind B 30.000 € anrechnen lassen. Kind A erhält dann nur noch 30.000 €. Kind B bekommt 20.000 €. Kind C, das bislang noch keine Zuwendungen erhalten hat, erhält die verbleibenden 50.000 €.
- Ihre Ehefrau erhält nach wie vor 100.000 €.
- Kind A hat bereits zu Lebzeiten mehr erhalten, als ihm aus dem Nachlass zustünde. Kind A bleibt daher nach § 2056 BGB außer Betracht. Kind A ist auch nicht verpflichtet, den Mehrwert von 10.000 € zurückzugewähren. Der Gesetzgeber vermutet, dass Sie auch ohne besondere Anordnung diese Zuwendung als endgültig gewollt haben. Insoweit besteht auch kein Pflichtteilsergänzungsanspruch. Dieser Anspruch ermöglicht nur bei Schenkungen, nicht aber bei anderen Zuwendungen, eine gewisse Korrektur.
- Die Ausgleichung erfolgt nur zwischen Kind B und C. Die Hinzurechnung ergibt einen Nachlasswert von 130.000 € (Restnachlass 100.000 € plus 30.000 € ausgleichpflichtige Zuwendung an Kind B). Davon stünden Kind B und C rechnerisch jeweils 65.000 € zu. Da Kind B bereits 30.000 € erhalten hat, bekommt B nur noch 35.000 €. Kind C, das noch nichts erhalten hat, bekommt die restlichen 65.000 €.
Ausgleichspflicht besteht nur bei gesetzlicher Erbfolge
Ausgleichspflichtig sind immer nur die Abkömmlinge des Erblassers, soweit deren Erbrecht auf der gesetzlichen Erbfolge beruht. Andere Erben müssen grundsätzlich weder ihre Schenkung ausgleichen, noch steht ihnen selbst ein Ausgleichsanspruch gegen miterbende Abkömmlinge des Erblassers zu. Sind die Abkömmlinge nicht kraft Gesetzes, sondern durch Verfügung von Todes wegen berufen, so besteht die Ausgleichspflicht grundsätzlich nicht. Hier ist zu vermuten, dass der Erblasser bereits bei der Bemessung der Erbteile die Zuwendungen berücksichtigt hat, die er zu Lebzeiten getätigt hatte.
Hat der Erblasser allerdings die Abkömmlinge auf den Erbteil eingesetzt, den diese als gesetzliche Erben erhalten würden und damit im Grunde nur die gesetzliche Erbfolge bestätigt, so besteht im Zweifel trotzdem die Ausgleichungspflicht (§ 2052 BGB). Haben Sie als Erblasser andere Vorstellungen, sollten Sie diese testamentarisch zum Ausdruck bringen.
Für alle anderen Fälle der gewillkürten Erbfolge besteht keine Ausgleichsvorschrift. Hier geht der Gesetzgeber davon aus, dass der Erblasser in Kenntnis der Vorausempfänge über sein Vermögen verfügt hat und diese angemessen berücksichtigen konnte. Eine Grenze bestimmt lediglich das Pflichtteilsrecht (§ 2316 BGB).
Wichtig zu wissen
Ihre Erben können nach Ihrem Ableben die gesetzlichen Ausgleichungsvorschriften im gegenseitigen Einvernehmen aufheben oder anpassen. Erforderlich ist jedoch die übereinstimmende Erklärung aller Miterben. Eine Mehrheitsentscheidung ist nicht möglich.
Soweit Sie einem Ihrer Erben vorab eine Zuwendung gemacht haben, ihm beispielsweise Ihr Kfz überlassen haben, trägt der Erbe das Risiko, dass der zugewendete Gegenstand verloren geht oder zerstört wird. Er muss den Verlust als eigenes Lebensrisiko tragen (BGHZ 96, 177). Gleiches ist anzunehmen, wenn Sie dem Erben ein Wertpapierdepot übertragen haben und der Aktienwert infolge der Finanzkrise verloren gegangen ist. In diesem Fall besteht die Ausgleichspflicht im Erbfall trotzdem fort.
Welche Zuwendungen unterliegen der Ausgleichspflicht?
§ 2050 BGB benennt verschiedene Gruppen von Zuwendungen, die der Ausgleichspflicht unterliegen. Alle müssen vom Erblasser zu Lebzeiten vorgenommen worden sein. Die Ausgleichspflicht erfordert keine unentgeltliche Zuwendung im Sinne einer Schenkung. Vielmehr genügt jeder wirtschaftliche Vorteil, dem keine entsprechende Gegenleistung gegenübersteht.
Der Ausgleichspflicht unterliegen: …
- Ausstattungen, die Sie Ihrem Abkömmling zukommen lassen. Dazu gehört alles, was Sie Ihrem Abkömmling im Hinblick auf dessen Eheschließung oder zur Begründung oder Erhaltung einer selbstständigen Lebensstellung zuwenden. Eine Definition, was unter Ausstattung zu verstehen ist, findet sich in § 1624 BGB.
- Zuschüsse, die als Einkünfte dienen sollen, sind nur insoweit auszugleichen, als diese das Ihren Vermögensverhältnissen entsprechende Maß überstiegen haben (§ 2050 Abs. II BGB). Es zählen aber nur solche Zahlungen, die Sie wiederholt getätigt haben oder wiederholt tätigen wollten. Ein einmaliger Zuschuss, z.B. die Übernahme der Kosten einer Urlaubsreise, unterliegt daher nicht der Ausgleichspflicht, auch wenn Sie dafür mehr Geld gegeben haben, als Sie sich eigentlich hätten leisten können.
- Tätigen Sie Aufwendungen für die Vorbildung zu einem Beruf, unterliegen diese wie Zuschüsse nur der Ausgleichspflicht, wenn sie als übermäßig anzusehen sind (§ 2050 Abs. II BGB).
Wann sind Zuwendungen übermäßig?
Ob eine Zuwendung übermäßig ist und damit der Ausgleichspflicht unterliegt, beurteilt sich regelmäßig nach Ihrem Vermögensstand zum Zeitpunkt der Zuwendung (§ 2055 Abs. II BGB). Es kommt also nicht auf den Zeitpunkt des Erbfalls an.
Dazu ist die Frage zu stellen, ob Sie zum Zeitpunkt der Zuwendung glauben durften, die Aufwendung zugunsten eines gesetzlichen Erben vornehmen zu können, ohne die gleichen Rechte anderer gesetzlicher Erben zu beeinträchtigen. Mussten Sie, um die Aufwendung vornehmen zu können, auf den Stamm Ihres Vermögens zurückgreifen, kann der Rückgriff ein Indiz sein, rechtfertigt aber allein die Annahme eines Übermaßes noch nicht. Maßgeblich kommt es auf die Umstände im Einzelfall an.
Auskunftspflicht bei Zuwendungen
Damit Ihre Zuwendungen im Erbfall beurteilt werden können, ist jeder Miterbe verpflichtet, über die von ihm empfangenen auszugleichenden Zuwendungen Auskunft zu erteilen (§ 2057 BGB). Auskunftsberechtigt ist jeder einzelne ausgleichsbeteiligte Miterbe.