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Zuletzt aktualisiert am 25. Oktober 2023 von Dr. jur. Stephan Seitz

Gesetzliche und gewillkürte Erbfolge: wann tritt was ein?

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Vielleicht ist es ein Ausgleich dafür, dass man nichts ins Jenseits mitnehmen kann.  Alles, was ein Mensch auf Erden hinterlässt, wird vererbt und findet einen neuen Besitzer. Dafür sorgt die Erbfolge. Ob die Erbfolge auf gesetzlichen oder gewillkürten Wegen eintritt, hat jeder Erblasser selbst in der Hand. Die Unterschiede sollten Sie als potentieller Erblasser jedenfalls kennen. Sind Sie Erbe, sollten Sie wissen, nach welchen Regeln Ihre Erbschaft verläuft.
  • Die gesetzliche Erbfolge ist der Regelfall. Sie tritt ein, wenn der Erblasser keine letztwillige Verfügung von Todes wegen verfasst hat. Deshalb stirbt niemand ohne Erben.
  • Jeder Mensch, der testierfähig und damit im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte ist, kann eine letztwillige Verfügung verfassen und damit die gesetzliche Erbfolge nach seinen Vorstellungen abändern.
  • Eine letztwillige Verfügung bietet eine Reihe von Optionen, mit denen der Erblasser Anordnungen im Hinblick auf seinen Nachlass treffen kann (z.B. Vermächtnis, Teilungsanordnung, Testamentsvollstreckung).


Dr. Stephan Seitz
Hier schreibt Dr. jur. Stephan Seitz

Mein Name ist Stephan Seitz, ich bin Jurist und war vor wenigen Jahren selbst Teil einer Erbengemeinschaft. Dabei wurde mir klar: Miterben wollen keinen Streit, sondern eine Lösung. Alles was Sie dafür wissen müssen, schreibe ich hier auf.
 
Bitte beachten Sie meine rechtlichen Hinweise für diese Webseite. Der Inhalt dient ausschließlich der allgemeinen Information und Bildung sowie zur Unterhaltung. Für eine verbindliche Auskunft wenden Sie sich bitte an einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder vergleichbaren Experten auf dem jeweiligen Fachgebiet.

Als Erblasser haben Sie es in der Hand: Gesetzliche oder gewillkürte Erbfolge

Wenn von der gesetzlichen und der gewillkürten Erbfolge die Rede ist, sind Unterschiede und Gemeinsamkeiten an sich schnell erklärt. Die Aspekte, auf die es ankommt, bestehen eher in den Konsequenzen, die sich daraus ergeben, ob Sie die Regelung Ihres Nachlasses dem Gesetz überlassen oder ob Sie selbst die Initiative ergreifen und Ihren Nachlass s eigenständig regeln. Die Gemeinsamkeit besteht darin, dass der Nachlass auf jeden Fall einen neuen Besitzer findet und nicht etwa herrenlos wird oder gar gleich der Fürsorge anheimfällt.

Option 1: Sie tun nichts und überlassen Ihre Nachfolge dem Gesetz

Jeder verlässt irgendwann diese Welt. Sie brauchen dazu kein Testament zu errichten oder mit irgendwem einen Erbvertrag zu vereinbaren. Verstirbt der Mensch, tritt automatisch die gesetzliche Erbfolge ein. Sie steht im Gesetz. Nach § 1922 BGB geht mit dem Tod einer Person deren Vermögen auf eine oder mehrere andere Personen über. Dazu bestimmen §§ 1924 ff BGB, in welcher Reihenfolge die als Erben in Betracht kommenden Personen Erbe werden und bestimmt vier „Ordnungen“ von Erben.

Erben 1. Ordnung sind die Abkömmlinge des Erblassers. Sie sind zugleich gesetzliche Erben, weil sie nach Maßgabe des Gesetzes als Erbe zu Zuge kommen. Die Erben 2., 3. und 4. Ordnung sind die weiteren Verwandten des Erblassers. Tun Sie also nichts, stellt das Gesetz sicher, dass Ihr Nachlass auf die gesetzlichen Erben übergeht. Der oder die jeweils zum Zuge kommenden Erben werden die Rechtsnachfolger des Erblassers. Dies bedeutet, dass sie die bestehenden Rechte und Pflichten der verstorbenen Person in vollem Umfang ohne Abstriche übernehmen.

Beispiel: Hans hinterlässt drei Kinder. Kind 3 ist verstorben und hat selbst zwei Kinder in die Welt gesetzt und dem Erblasser Hans damit zwei Enkel hinterlassen.  Nach der gesetzlichen Erbfolge erben Kind 1, Kind 2 und die Kinder (Enkel) von Kind 3 jeweils ein Drittel des Nachlasses von Hans. Die beiden Enkel erben stellvertretend für ihren verstorbenen Elternteil (Kind 3 des Erblassers). Sie teilen sich ihr Drittel und erhalten jeweils ein Sechstel.

Option 2: Sie tun etwas und regeln Ihre Nachfolge selbst

Die gesetzliche Erbfolge entspricht nicht immer den Vorstellungen und Wünschen des Erblassers. Als potentieller Erblasser können Sie diese gesetzliche Erbfolge jederzeit abändern und in einer letztwilligen Verfügung von Todes wegen (Ihr sogenannter „letzter Wille“) im Detail bestimmen,  welche Person oder welche Personen Sie beerben und Ihren Nachlass oder Teile Ihres Nachlasses übernehmen sollen. Das Gesetz nennt diese Option „Testierfreiheit“. Die Testierfreiheit ist ein wesentliches Charakteristikum des Erbrechts.

Als Verfügungen von Todes wegen stehen Ihnen folgende Möglichkeiten zur Verfügung:

  • Testament (Sie bestimmen allein, wer Erbe wird)
  • Erbvertrag (Sie treffen mit einer dritten Person Vereinbarungen über Ihren Nachlass)
  • Gemeinschaftliches Testament (kann nur unter Ehegatten errichtet werden, sog. Berliner Testament)

Erbfolge

Konsequenzen Ihres Nichtstuns oder Ihres Tuns

Unterlassen Sie es, durch eine Verfügung von Todes wegen Ihre Erben zu bestimmen und Ihren Nachlass zu regeln, tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Es gibt also keinen Erbfall ohne Erben. Entweder bestimmen Sie selbst Ihren Erben oder das Gesetz tut es. Ihr Erbe, egal ob er gesetzlicher oder gewillkürter Erbe ist, braucht keine Kenntnis davon zu haben, dass er Erbe wird oder geworden ist.

Ein Erblasser kann eine letztwillige Verfügung von Todes wegen jederzeit zu Lebzeiten widerrufen. Er kann die bestehende Verfügung von Todes wegen in Details abändern oder eine neue Verfügung von Todes wegen verfassen und seine Rechtsnachfolge vollkommen neu regeln.

Als Erblasser können Sie zu Lebzeiten auch jederzeit und ohne jede Einschätzung über Ihr Vermögen verfügen. In der Verfügung von Todes wegen erklären Sie lediglich, dass Ihr Vermögen, das Ihnen im Zeitpunkt Ihres Ablebens gehört, auf eine bestimmte Person übergehen soll. Auch beim Erbvertrag, bei dem Sie sich gegenüber einer dritten Person in gewisser Weise erbrechtlich verpflichten, behalten Sie das Recht, über Ihr Vermögen jederzeit frei zu verfügen. Der Erbvertrag entfaltet erst nach Ihrem Ableben seine Wirkung.

Die Testierfähigkeit setzt Grenzen

Wenn Sie eine letztwillige Verfügung von Todes wegen verfassen möchten, müssen Sie testierfähig sein. Testierfähig sind Sie nur dann, wenn Sie halbwegs im Vollbesitz Ihrer geistigen Kräfte sind und wissen, dass Sie eine letztwillige Verfügung verfassen und den Inhalt verantworten können. Es empfiehlt sich also, eine letztwillige Verfügung möglichst frühzeitig zu verfassen. Sie vermeiden das Risiko, dass Sie im ungünstigsten Fall vielleicht dement werden und ein eventueller testamentarisch bestimmter Erbe später nur deshalb nicht Erbe wird, weil Ihre gesetzlichen Erben bezweifeln, dass Sie Ihre letztwillige Verfügung im Vollbesitz Ihrer geistigen Kräfte errichtet haben.

Sofern Ihre Testierfähigkeit fehlt und Sie außerstande sind oder außerstande waren, eine letztwillige Verfügung zu  verfassen, tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Dann regelt das Gesetz, wer Sie beerbt, unabhängig davon, in welchem geistigen Zustand Sie sich befinden oder befunden haben.

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Was ist jetzt der Unterschied zwischen gesetzlicher Erbfolge und Testament?

Der eigentliche Unterschied zwischen gesetzlicher Erbfolge und einem Testament als letztwilliger Verfügung von Todes wegen besteht in den Möglichkeiten, die Ihnen die Testierfreiheit eröffnet.

  • In einer letztwilligen Verfügung von Todes wegen bestimmen Sie den oder die Erben, die Ihren Nachlass übernehmen sollen. Sie ändern damit die gesetzliche Erbfolge ab.
  • Sie können Verwandte, Ihren Ehegatten oder gleichgeschlechtliche Lebenspartner von der Erbfolge ausschließen und diese Person enterben. Sie erhält dann gegen den Erben nur einen Anspruch auf den gesetzlichen Pflichtteil in der Höhe seines gesetzlichen Erbteils, wird aber im Übrigen von der Teilhabe am Nachlass ausgeschlossen.
  • Sie vermeiden, dass nach der gesetzlichen Erbfolge eine Erbengemeinschaft entsteht, die Sie so nicht wünschen. Sie bewahren Ihre Vermögenswerte oder einen bestimmten Wert in der Person eines Alleinerben und finden für die anderen Erben eine andere Lösung (z.B. Pflichtteil, Vermächtnis).
  • Sie können zugunsten einer bestimmten Person ein Vermächtnis aussetzen und ihr einen Bargeldbetrag oder einen bestimmter Gegenstand aus Ihrem Nachlass zukommen lassen, ohne dass dieser Vermächtnisnehmer selbst Erbe wird.
  • Sie können eine Person als Erbe einsetzen und zugleich mit einer Auflage anordnen, dass dieser Erbe bestimmte Verpflichtungen zu erfüllen hat (z.B. muss der Erbe Ihre Grabpflege über dem oder ihren Hund in Pflege nehmen).
  • Sie können Teilungsanordnungen treffen und bestimmen, dass ein gesetzlicher Erbe eine bestimmte Erbquote oder einen bestimmten Vermögenswert aus Ihrem Nachlass erhalten soll (z.B. Ihr Kind 2 soll das Elternhaus bekommen).
  • Sie können die Auseinandersetzung Ihres Nachlasses für einen gewissen Zeitraum ausschließen oder mit einer Bedingung verbinden (z.B. der jüngste Miterbe muss 20 Jahre als sein).
  • Sie können die Testamentsvollstreckung anordnen und eine Person Ihres Vertrauens zum Testamentsvollstrecker bestimmen. Eine solche Anordnung kann hilfreich sein, wenn Ihr Nachlass umfangreich oder komplex ist oder Sie sicherstellen möchten, dass der Nachlass unter mehreren Erben möglichst ohne Streitereien aufgeteilt wird.
  • Sie können unter den gesetzlichen Voraussetzungen einem gesetzlichen Erben auch den gesetzlichen Pflichtteil entziehen (z.B. weil diese Person Ihnen nach dem Leben trachtete). Dann erbt diese Person tatsächlich nichts.

Wie entsteht die Erbengemeinschaft?

Werden mehrere Personen Erbe, bilden sie eine Erbengemeinschaft. Unabhängig davon, ob die Erbengemeinschaft aufgrund der gesetzlichen oder einer gewillkürten Erbfolge zustande gekommen ist, bleibt der Erbschaftskauf stets möglich und unter Umständen eine zweckmäßige Option.

Jeder Erbe, der vielleicht auf schnelle Liquidität angewiesen ist oder Streitigkeiten innerhalb der Erbengemeinschaft scheut, kann seinen Erbanteil an jede ihm genehme Person verkaufen. Aus Sicht der Erbengemeinschaft kann der Erbschaftskauf eine Option bieten, wenn für die Interessen eines Miterben eine Lösung gefunden werden muss.

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