Erstveröffentlichung am 13. Februar 2020, zuletzt aktualisiert am 09. August 2024. Autor: Dr. jur. Stephan Seitz
Urteil BGH: Haftung des Erben für Forderungen aus dem Mietverhältnis
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Urteil BGH: Haftung des Erben für Forderungen aus dem Mietverhältnis
BGH, Urteil vom 25.09.2019 – VIII ZR 138/18
Bedeutung des Urteils
Unterlässt der nach § 564 Satz 1, § 1922 Abs. 1 BGB in das Mietverhältnis eingetretene Erbe dieses nach § 564 Satz 2 BGB außerordentlich zu kündigen, liegt allein hierin keine Verwaltungsmaßnahme, welche die nach Ablauf dieser Kündigungsfrist fällig werdenden Verbindlichkeiten aus dem Mietverhältnis zu Nachlasserbenschulden beziehungsweise Eigenverbindlichkeiten werden lässt, für die der Erbe – auch – persönlich haftet.
Eine persönliche Haftung tritt jedoch etwa dann ein, wenn der Erbe nach wirksamer Beendigung des Mietverhältnisses seiner (fälligen) Pflicht aus § 546 Abs. 1, § 985 BGB zur Räumung und Herausgabe der Mietsache nicht nachkommt.
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Mein Name ist Stephan Seitz, ich bin Jurist und war vor wenigen Jahren selbst Teil einer Erbengemeinschaft. Dabei wurde mir klar: Miterben wollen keinen Streit, sondern eine Lösung. Alles was Sie dafür wissen müssen, schreibe ich hier auf. Mehr zu meiner Person.
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Sachverhalt
Der Bruder des Beklagten mietete im Jahr 1985 von den Rechtsvorgängern des Klägers eine in einem Mehrfamilienhaus gelegene Wohnung in K. . Der Kläger erwarb das Anwesen im Jahr 2002. Die monatliche Kaltmiete betrug zuletzt 516,40 € zuzüglich 30,68 € für einen PKW-Stellplatz. Der Bruder des Beklagten verstarb im August 2014. Mit Ausnahme des Beklagten schlugen die weiteren vorhandenen Erben – die Geschwister des Erblassers sowie deren Abkömmlinge – die Erbschaft aus. Der Kläger nahm den Beklagten in einem Vorprozess als Erben seines Bruders auf Zahlung der Mieten für die Monate September bis Dezember 2014 sowie auf Räumung und Herausgabe der Wohnung in Anspruch. Am 20. Februar 2015 wurde dem Beklagten in diesem Verfahren die Anspruchsbegründung zugestellt, in welcher der Kläger ausführte, alle anderen Erben der zweiten Ordnung hätten die Erbschaft ausgeschlagen. Das Amtsgericht gab mit Urteil vom 4. August 2015 der Zahlungsklage sowie, gestützt auf eine durch den Kläger am 30. April 2015 erklärte Kündigung, auch der Räumungsklage statt.
Auf Antrag des Beklagten wurde am 12. November 2015 die Nachlassverwaltung angeordnet. Die Zwangsräumung der Wohnung erfolgte Ende Januar 2016. Auf die Berufung des Beklagten änderte das Landgericht (Urteil vom 11. Mai 2016 – 23 S 67/15) das vorgenannte Urteil teilweise ab. Die Verurteilung zur Räumung blieb aufrecht erhalten, die Zahlungsklage wurde abgewiesen. Bei den geltend gemachten Mietforderungen handele es sich um reine Nachlassverbindlichkeiten, für welche der Beklagte infolge der zwischenzeitlich angeordneten Nachlassverwaltung nicht mehr hafte. Erst für die Verbindlichkeiten aus dem Mietverhältnis, die nach Ablauf der Kündigungsfrist des § 564 Satz 2 BGB entstünden – vorliegend ab dem 21. März 2015 – könne der Beklagte weiterhin persönlich in Anspruch genommen werden. Der Kläger nimmt den Beklagten im vorliegenden Verfahren auf Zahlung von Miete und Nutzungsentschädigung für den Zeitraum vom 21. März 2015 bis zum 31. Januar 2016 in Höhe von insgesamt 5.664,93 € nebst Zinsen in Anspruch. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Landgericht zurückgewiesen und dem Beklagten vorbehalten, die Beschränkung seiner Haftung auf den Nachlass geltend zu machen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidung
Die Revision hat Erfolg.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt: Der Beklagte sei Alleinerbe seines Bruders geworden. Soweit er seine Erbenstellung auch noch in der Berufungsinstanz bestreite, hätte es ihm im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast oblegen, substantiiert dazu vorzutragen, wer als gesetzlicher Erbe erster Ordnung in Betracht komme. Dieser Substantiierungslast sei er nicht nachgekommen. Sein Vortrag erschöpfe sich in der allgemeinen Ausführung, es sei offen beziehungsweise werde ermittelt, ob nicht vorhergehende Erben vorhanden seien. Der Beklagte hafte persönlich für die im Zeitraum vom 21. März 2015 bis zum 31. Januar 2016 fällig gewordenen Mieten, da es sich hierbei um Nachlasserbenschulden und nicht um reine Nachlassverbindlichkeiten im Sinne von § 1967 BGB handele. Nur für letztere sei die Haftung mit dem eigenen Vermögen infolge der Anordnung der Nachlassverwaltung ausgeschlossen, da hierdurch eine rückwirkende Haftungsbeschränkung auf den Nachlass erfolgt sei.
Demgegenüber hafte der Erbe für Verbindlichkeiten, die er im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses begründe – sogenannte Nachlasserbenschulden – weiterhin mit seinem Vermögen. Eine solche persönliche Haftung treffe den Beklagten für Forderungen aus dem Mietverhältnis, welche ab dem 21. März 2015 fällig geworden seien. Ein das Entstehen einer Nachlasserbenschuld begründendes rechtsgeschäftliches Handeln des Beklagten liege vorliegend in der Unterlassung der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 564 Satz 2 BGB. Diesem Unterlassen komme aus objektiver Empfängersicht ausnahmsweise ein positiver Erklärungswert dahingehend zu, das Mietverhältnis bestehen lassen zu wollen, da die außerordentliche Kündigung nach dem Gesetz das Mittel der Wahl sei, sich des Vertrages zu entledigen. Diese Sicht sei auch interessengerecht, da ansonsten der Vermieter bei einer Haftungsbeschränkung gemäß § 780 ZPO unter Umständen kein Entgelt für die unveränderte Gebrauchsgewährung erhielte. Die einmonatige Ausschlussfrist des § 564 Satz 2 BGB, welche mit Kenntnis vom Tod des Mieters und dem eigenen Eintritt in das Mietverhältnis als Erbe beginne, sei am 20. März 2015 abgelaufen. Spätestens seit dem 20. Februar 2015 sei dem Beklagten seine Erbenstellung bekannt gewesen.
Denn aus der ihm im Vorprozess an diesem Tag zugestellten Anspruchsbegründung habe er entnehmen können, dass auch seine Neffen und Nichten die Erbschaft ausgeschlagen hätten.
Auf die vom Beklagten im Berufungsverfahren erhobene Dürftigkeitseinrede sei ihm vorzubehalten, die Haftung auf den Nachlass zu beschränken. Denn Voraussetzung der Einrede sei nur, dass der Erbe als solcher in Anspruch genommen werde und sich auf sie berufe.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch des Klägers auf Zahlung der Miete beziehungsweise Nutzungsentschädigung für die vom Erblasser angemietete Wohnung im Zeitraum vom 21. März 2015 bis zum 31. Januar 2016 (§ 535 Abs. 2, § 546a Abs. 1 BGB) nicht bejaht werden.
Noch zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass der Beklagte wegen der ab dem 12. November 2015 angeordneten Nachlassverwaltung nicht für reine Nachlassschulden in Anspruch genommen werden kann, sondern nur für solche Verbindlichkeiten, die er vor diesem Zeitpunkt durch Maßnahmen der Nachlassverwaltung selbst begründet hat und für die er deshalb (auch) selbst haftet (vgl. §§ 1975, 1984 Abs. 1 Satz 1 und 3 BGB).
Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht jedoch allein in dem Unterbleiben einer Kündigung des Beklagten nach § 564 Satz 2 BGB eine dessen persönliche Haftung begründende Verwaltungsmaßnahme gesehen.
1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision allerdings gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, der Beklagte sei Alleinerbe seines Bruders. Denn das Berufungsgericht hat das pauschale Bestreiten seiner Erbenstellung durch den Beklagten zu Recht als prozessual unbeachtlich gewertet (§ 138 Abs. 2, 3 ZPO). Der darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat substantiiert vorgetragen, dass der Beklagte mangels Erben erster Ordnung (§ 1924 Abs. 1 BGB) sowie infolge der Ausschlagung durch andere Erben zweiter Ordnung (§ 1925 Abs. 3 BGB) gesetzlicher Alleinerbe geworden sei. Dieser Vortrag ist gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als unstreitig anzusehen, da ihm der Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten ist, sondern lediglich pauschal auf eine ungeklärte Erbfolge abgestellt hat (zu den Anforderungen an die Substantiierungslast der nicht beweisbelasteten Partei vgl. BGH, Urteile vom 4. April 2014 – V ZR 275/12, NJW 2015, 468 Rn. 11; vom 19. Dezember 2017 – II ZR 88/16, NJW 2018, 1089 Rn. 19 f.).
2. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass das Mietverhältnis mangels Eintritts von Haushaltsangehörigen nach § 563 Abs. 1, 2 BGB beziehungsweise Fortsetzung nach § 563a Abs. 1 BGB mit dem Beklagten als Erben fortgesetzt worden ist (§ 1922 Abs. 1, § 564 Satz 1 BGB). Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass er hiernach für die aus dem Mietverhältnis resultierenden Verbindlichkeiten haftet (§ 1967 Abs. 1 BGB). Auch die erst nach dem Tod des Mieters fällig werdenden Forderungen des Vermieters aus einem vom Erblasser eingegangenen Mietverhältnis – vorliegend die Mieten sowie die Nutzungsentschädigung – sind „vom Erblasser herrührende Schulden“ im Sinne des § 1967 Abs. 2 BGB, sogenannte Erblasserschulden (vgl. BGH, Urteile vom 23. Januar 2013 – VIII ZR 68/12, NJW 2013, 933 Rn. 17; vom 5. Juli 2013 – V ZR 81/12, NJW 2013, 3446 Rn. 13 mwN). Der Zugriffsmöglichkeit der Gläubiger unterliegt dabei (zunächst) sowohl der Nachlass als auch das Eigenvermögen des Erben (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 2013 – V ZR 81/12, aaO Rn. 6).
3. Wie das Berufungsgericht weiter im Ausgangspunkt zutreffend gesehen hat, kann der Erbe bezüglich solcher Erblasserschulden seine zunächst uneingeschränkte Haftung mit der Folge beschränken, dass nur noch der Nachlass, nicht jedoch der Erbe mit seinem eigenen Vermögen haftet. Eine Möglichkeit, die mit dem Erbfall beziehungsweise mit der Annahme der Erbschaft – vorliegend durch Ablauf der Ausschlagungsfrist (§ 1943 Halbs. 2 BGB) – eingetretene Vermögensverschmelzung zwischen dem ererbten Vermögen sowie dem Eigenvermögen wieder rückgängig zu machen, mithin beide Vermögensmassen voneinander abzusondern, ist die – vorliegend im November 2015 angeordnete – Nachlassverwaltung. Diese führt dazu, dass der Erbe für Erblasserschulden nicht mehr mit seinem eigenen Vermögen haftet, sondern sich die Haftung auf den Nachlass beschränkt (§ 1975 BGB). Der Erbe verliert seine Verwaltungs und Verfügungsbefugnis (§ 1984 Abs. 1 Satz 1 BGB). An seine Stelle tritt der Nachlassverwalter, so dass Ansprüche gegen diesen geltend zu machen sind (§ 1984 Abs. 1 Satz 3 BGB).
Die Haftungsbeschränkung erstreckt sich jedoch nicht auf Forderungen, für welche der Erbe nicht nur als solcher, sondern (auch) persönlich haftet. Dies ist der Fall bei Nachlasserbenschulden. Hierbei handelt es sich um Verbindlichkeiten, die der Erbe bei der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses eingeht. Sie haben eine Doppelnatur und sind sowohl Eigenverbindlichkeiten des Erben als auch Nachlassverbindlichkeiten (vgl. BGH, Urteile vom 31. Januar 1990 – IV ZR 326/88, BGHZ 110, 176, 179; vom 23. Januar 2013 – VIII ZR 68/12, aaO Rn. 16; vom 5. Juli 2013 – V ZR 81/12, aaO Rn. 14, mwN; vgl. auch RGZ 146, 343, 345; Muscheler, Erbrecht, Band II, 2010, Rn. 3397). Für sie haftet der Erbe persönlich mit seinem Vermögen und mit dem Nachlass. Handelt es sich um einen Fall nicht ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses oder steht das Verhalten des Erben damit in keinem Zusammenhang, haftet er ausschließlich mit dem eigenen Vermögen – sogenannte (reine) Eigenschulden. In beiden Fällen wirkt sich die infolge der Nachlassverwaltung eingetretene Haftungsbeschränkung nicht aus; die (auch) persönliche Haftung besteht fort und der Erbe kann trotz angeordneter Nachlassverwaltung in Anspruch genommen werden (vgl. Staudinger/Dutta, BGB, Neubearb. 2016, § 1967 Rn. 5 ff.). Hiernach ist maßgebend, um welche Art von Schuld es sich bei den vorliegend
streitigen Forderungen handelt.
4. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht diesbezüglich indes angenommen, dass das Unterlassen der Kündigung nach § 564 Satz 2 BGB eine Verwaltungsmaßnahme darstelle, die zu einer Eigenhaftung des Beklagten führe. Der maßgebende Zeitpunkt, ab dem die fortlaufend fällig werdende Schuld aufhört, eine „vom Erblasser herrührende“ (§ 1967 Abs. 2 BGB), also eine Erblasserschuld zu sein, ist – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – nicht das Verstreichenlassen der Kündigungsfrist des § 564 Satz 2 BGB. Allein das unterlassene Gebrauchmachen des Erben von seinem Recht zur außerordentlichen Kündigung begründet nicht seine persönliche Haftung.
a) Eine die Erbenhaftung begründende Verwaltungsmaßnahme kann rechtsgeschäftlicher oder tatsächlicher Natur sein. Entscheidend ist stets, ob ein eigenes Verhalten des Erben Haftungsgrundlage ist (vgl. BGH, Urteile vom 31. Januar 1990 – IV ZR 326/88, aaO; vom 5. Juli 2013 – V ZR 81/12, aaO; MünchKommBGB/Küpper, 7. Aufl., § 1967 Rn. 21).
b) Allein das Unterlassen der Kündigung nach § 564 Satz 2 BGB durch den Erben des Mieters stellt, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts, keine Verwaltungsmaßnahme dar, die zu einer persönlichen Haftung führt.
aa) Nach § 564 Satz 2 BGB sind sowohl der Vermieter als auch der Erbe, mit dem das Mietverhältnis fortgesetzt wird, berechtigt, dieses innerhalb eines Monats außerordentlich mit der gesetzlichen Frist (§ 573d BGB) zu kündigen, nachdem sie vom Tod des Mieters und davon Kenntnis erlangt haben, dass weder ein Eintritt in das Mietverhältnis – nach § 563 Abs. 1, 2 BGB – noch dessen Fortsetzung – nach § 563a Abs. 1 BGB – erfolgt sind. Der Senat hat bereits entschieden, dass im Falle der Ausübung dieses Kündigungsrechts auch die nach dem Erbfall und bis zur Beendigung des Mietverhältnisses fällig gewordenen Forderungen reine Nachlassverbindlichkeiten bleiben (Senatsurteil vom 23. Januar 2013 – VIII ZR 68/12, aaO Rn. 15 ff.; so auch BGH, Urteil vom 26. September 2013 – IX ZR 3/13, NJW 2014, 389 Rn. 10).
bb) Ob der Erbe demgegenüber im Falle der Nichtausübung des vorgenannten Kündigungsrechts für die nach Ablauf der Kündigungsfrist fällig werdenden Forderungen unbeschränkbar (auch) persönlich haftet, ist umstritten.
(1) Nach einer Ansicht sind Ansprüche aus dem Mietverhältnis, die nach dem versäumten Kündigungstermin des § 564 Satz 2 BGB fällig werden, jedenfalls auch Eigenverbindlichkeiten des Erben. Dabei wird überwiegend angenommen, dass es sich hierbei um Nachlasserbenschulden handelt, da die Entscheidung des Erben, von dem Kündigungsrecht keinen Gebrauch zu machen, als Verwaltungsmaßnahme zu werten sei (vgl. Baer, SeuffBl (75) 1910, 352; Planck/Flad, BGB, 4. Aufl. [1930], § 1967 Anm. 6a; Staudinger/Lehmann, BGB, 11. Aufl. [1954], § 1967 Rn. 29; Soergel/Stein, BGB, 13. Aufl., § 1967 Rn. 2; Muscheler, Die Haftungsordnung der Testamentsvollstreckung, 1994, S. 159 f.; Sick, ZErb 2010, 325, 329; Schmid, ZErb 2013, 321, 323; ders. ZMR 2013, 424 f.; im Ergebnis auch Oetker, Dauerschuldverhältnis, 1994, S. 638 f.). Das Verstreichenlassen der Kündigungsfrist sei dem – stillschweigenden – Abschluss eines Mietvertrages gleichzusetzen, da in der Nichtausübung der Kündigung der konkludente Wille zur endgültigen Übernahme des Mietverhältnisses zu sehen sei. Bei wertender Betrachtung sei der Fortbestand des Mietverhältnisses nach Ablauf der Kündigungsfrist daher nicht mehr auf den Erblasser zurückzuführen (vgl. Schmid, ZMR 2013, aaO; Horst, DWW 2013, 362, 366; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 14. Aufl., § 564 BGB Rn. 3). Andere sehen in den nach Ablauf der Kündigungsfrist des § 564 Satz 2 BGB fällig werdenden Forderungen sogar reine Eigenverbindlichkeiten des Erben (so Boehmer, Erbfolge und Erbenhaftung, 1927, S. 121 f.; Bellinger, Erbfolge, 1968, S. 28), weil das Gesetz in § 564 Satz 2 BGB den Zeitpunkt benenne, ab dem der Erbe das Mietverhältnis im eigenen Namen und für eigene Rechnung fortsetze.
(2) Nach der Gegenansicht bleiben auch die nach Ablauf der Frist des § 564 Satz 2 BGB entstandenen Forderungen reine Nachlassverbindlichkeiten im Sinne von § 1967 BGB. Das bloße Unterlassen der Kündigung führe nicht zur Begründung von Nachlasserbenschulden oder Eigenverbindlichkeiten des Erben, da dieser lediglich von einem ihm zustehenden Recht keinen Gebrauch gemacht habe. Damit könne allein das Unterlassen kein tauglicher Anknüpfungspunkt für seine persönliche Haftung sein (vgl. Martin, SeuffBl (75) 1910, 463; Staudinger/Dutta, aaO Rn. 24; Muscheler, Erbrecht, aaO Rn. 3401; LG Wuppertal, MDR 1997, 34 [zu der Vorgängerregelung in § 569 Abs. 1 Satz 2 BGB aF]).
(3) Die letztgenannte Ansicht trifft zu. Allein die Nichtausübung des außerordentlichen Kündigungsrechts durch den Erben führt nicht dazu, dass danach fällig werdende Forderungen aus dem Dauerschuldverhältnis Nachlasserbenschulden beziehungsweise Eigenverbindlichkeiten werden. Insbesondere ist allein dem Verstreichenlassen der Möglichkeit zur außerordentlichen Kündigung ein dem stillschweigenden Abschluss eines Mietvertrages gleichzusetzender rechtsgeschäftlicher Erklärungswert nicht beizumessen.
(a) Bereits der Sinn und Zweck der außerordentlichen Kündigungsmöglichkeit des § 564 Satz 2 BGB spricht dagegen, in deren bloßen Nichtausnutzung eine zur Eigenhaftung des Erben führende Verwaltungsmaßnahme zu sehen. Der Zweck des § 564 Satz 2 BGB liegt darin, der fehlenden persönlichen (vertraglichen) Verbindung zwischen dem Vermieter und dem Erben Rechnung zu tragen. Tritt der bisher nicht in einer solchen Verbindung zum Vermieter stehende Erbe in das Mietverhältnis ein, gewährt § 564 Satz 2 BGB jeder Vertragspartei das Recht zur außerordentlichen Kündigung (vgl. Motive zum Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs, 1888, Band II, S. 416; Protokolle II, S. 220; RGZ 74, 35, 37; Staudinger/Rolfs, BGB, Neubearb. 2018, § 564 Rn. 3; MünchKommBGB/Häublein, 7. Aufl., § 564 Rn. 2). Dieses Recht ist jedoch keine Pflicht. Es räumt dem Erben lediglich die Möglichkeit ein, sich aus dem Mietverhältnis, in das er eingetreten ist, zu lösen. Eine darüberhinausgehende Zielsetzung, Klarheit darüber zu schaffen, wer künftig und endgültig Schuldner der dem verstorbenen Mieter obliegenden Pflichten ist (so aber Horst, DWW 2013, 362, 366), wohnt der Vorschrift nicht inne. Für eine solche Klarstellung besteht auch kein Bedürfnis, da die erbrechtlichen Vorschriften die Rechte- und Pflichtenstellung regeln. Die Kündigungsmöglichkeit des § 564 Satz 2 BGB schützt somit lediglich die Interessen beider Vertragspartner an Neudispositionen, begründet im Falle ihrer Nichtausübung jedoch nicht die Eigenhaftung des Erben (vgl. Muscheler, Erbrecht, aaO). Auch dient das Sonderkündigungsrecht dabei in erster Linie dem Vermieter, da die im Einzelfall aufgrund der Dauer des Mietverhältnisses verlängerte Kündigungsfrist (§ 573c Abs. 1 Satz 2 BGB) abgekürzt wird (§ 573d Abs. 2 BGB) und er insbesondere kein berechtigtes Interesse darlegen muss (§ 573d Abs. 1 BGB; vgl. BT-Drucks. 14/4553, S. 62). Demgegenüber kann der Mieter gemäß § 573d Abs. 2 Satz 1 BGB das Mietverhältnis ohnehin innerhalb der gesetzlichen Frist und ohne Vorliegen eines Grundes kündigen. Auf das Sonderkündigungsrecht des § 564 Satz 2 BGB ist er somit nur angewiesen, wenn es sich um ein Zeitmietverhältnis (§ 575 Abs. 1 BGB) handelt oder wenn die Kündigung zulässigerweise (vgl. hierzu etwa Senatsurteile vom 22. Dezember 2003 – VIII ZR 81/03, NJW 2004, 1448; vom 23. November 2005 – VIII ZR 154/04, NJW 2006, 1056 Rn. 14) für einen bestimmten Zeitraum ausgeschlossen ist (vgl. Staudinger/Rolfs, aaO Rn. 8). Die Annahme einer persönlichen Haftung des Erben allein aufgrund Nichtausübung des Sonderkündigungsrechtes stünde somit zu dessen Bedeutung für den Mieter außer Verhältnis.
(b) Vom Erben binnen eines Monats ab Kenntnis vom Eintritt in das Mietverhältnis und seiner Erbenstellung die Kündigung zu verlangen, um eine persönliche Haftung zu vermeiden, ist zudem mit seinem Recht, über die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft zu entscheiden, nicht zu vereinbaren (vgl. Muscheler, Erbrecht, aaO). Hierfür steht dem Erben gemäß § 1944 Abs. 1 BGB ein Zeitraum von sechs Wochen zur Verfügung (vgl. zur Frist Staudinger/Otte, BGB, Neubearb. 2017, § 1944 Rn. 8). Da die Kündigungsfrist des § 564 Satz 2 BGB mit vier Wochen kürzer ist als diejenige zur Ausschlagung, müsste der Erbe somit im Einzelfall vor seiner Entscheidung, ob er die Erbschaft annimmt oder ausschlägt, bereits das Mietverhältnis kündigen. Damit würde dem vorläufigen Erben faktisch eine Pflicht zur Verwaltung des Nachlasses auferlegt, die ihn aber grundsätzlich nicht trifft (vgl. Staudinger/Mešina, BGB, Neubearb. 2017, § 1959 Rn. 1). Zudem steht die mit der Kündigung verbundene Folge der irreversiblen Beendigung des Mietverhältnisses mit der dem Erben durch das Ausschlagungsrecht eingeräumten Möglichkeit, über die Annahme der Erbschaft binnen sechs Wochen frei zu entscheiden, in Widerspruch. Der Erbe müsste die Zusammensetzung des Nachlasses ändern, noch bevor er sich – gegebenenfalls nach weiteren Erkundigungen über Art und Bestand – zu dessen dauerhafter Übernahme zu erklären hat.
(c) Die Annahme einer nicht beschränkbaren persönlichen Haftung des Erben ist entgegen der Ansicht der Revision auch nicht zum Schutz des Vermieters geboten. Zwar führt die Nachlassverwaltung dazu, dass sich der Vermieter bezüglich der nach Ablauf der Kündigungsfrist fällig werdenden Verbindlichkeiten – sofern eine sonstige Verwaltungsmaßnahme des Erben nicht vorliegt – nur aus dem Nachlass befriedigen kann. Dies ist jedoch Folge der gesetzlich vorgesehenen Haftungsbeschränkungsmöglichkeit, wobei den Interessen der Nachlassgläubiger dadurch hinreichend Rechnung getragen wird, dass der Erbe nicht mehr über den Nachlass verfügen (§ 1984 Abs. 1 Satz 1 BGB) und diesen damit nicht mehr schmälern kann. Dem Vermieter steht somit zur Befriedigung seiner Forderung mit dem Nachlass die Vermögensmasse des von ihm gewählten Vertragspartners – des Erblassers – zur Verfügung. Zur Vermeidung weiterer auflaufender Forderungen kann auch der Vermieter das Mietverhältnis kündigen. Neben dem außerordentlichen Kündigungsrecht aus § 564 Satz 2 BGB kann er sich regelmäßig auf eine Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses nach § 543 Abs. 1 BGB berufen, etwa wenn der Erbe auf die erste ausgebliebene Mietzahlung erklärt, der Nachlass sei wertlos, und die Dürftigkeitseinrede erhebt. Der Vermieter muss in einem solchen Fall nicht die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB, mithin weitere Nichtzahlungen, abwarten (vgl. Senatsurteil vom 9. März 2005 – VIII ZR 394/03, NJW 2005, 2552 unter II 3; Schmid, ZMR 2013, 424). Zudem hat der Vermieter die Möglichkeit, einer Berufung des Erben auf die Haftungsbeschränkung auf den Nachlass entgegenzuwirken. Er kann ihn zur Aufstellung eines Inventarverzeichnisses über den Nachlass auffordern. Versäumt der Erbe die ihm hierzu gesetzte Frist (§ 1994 Abs. 1 Satz 2 BGB) oder ist ihm Inventaruntreue (§ 2005 Abs. 1 Satz 1 BGB) vorzuwerfen, führt dies ohne Verschulden zu einer unbeschränkbaren, persönlichen Haftung allen Nachlassgläubigern gegenüber. Verweigert der Erbe nach erstelltem Verzeichnis die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung, haftet er dem Gläubiger gegenüber, der den Antrag auf eidesstattliche Versicherung gestellt hat, unbeschränkt (§ 2006 Abs. 3 Satz 1 BGB).
(d) Der Erbe wird allerdings in der Regel Anlass haben, sich in eigenem Interesse Gedanken über die Fortführung des Mietverhältnisses zu machen. Denn wenn er die Kündigung unterlässt, obwohl er die Wohnung nicht nutzt und auch nicht nutzen will, entstehen laufend unnötige weitere Mietkosten, die den Nachlass des Erben schmälern. Zudem kommt gegebenenfalls auch eine Haftung des Erben mit seinem Eigenvermögen gegenüber den übrigen Nachlassgläubigern in Betracht (§ 1978 Abs. 1 BGB), wenn die Haftungsmasse dadurch geschmälert wird und zur Befriedigung der Nachlassverbindlichkeiten nicht mehr ausreicht (vgl. Staudinger/Dutta, aaO Rn. 24; MünchKommBGB/Küpper, aaO, § 1978 Rn. 2; Muscheler, Erbrecht, aaO, Rn. 3574; Herzog, NZM 2013, 175, 176).
c) Ohne Erfolg macht die Revisionserwiderung geltend, der Beklagte habe von einer Kündigung des Mietverhältnisses „bewusst“ abgesehen, um die Wohnung „gezielt zur weiteren Aufbewahrung des Nachlasses zu nutzen“. Dieses Vorbringen lässt sich der angegebenen Stelle der Berufungsbegründung des Beklagten nicht entnehmen und ist auch sonst weder festgestellt noch ersichtlich. Im Übrigen könnte einer solchen nicht nach Außen erkennbaren inneren Willensbildung der oben genannte rechtsgeschäftliche Erklärungswert nicht beigemessen werden.
d) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung lässt sich für die Beurteilung der Rechtsfolgen eines Unterlassens der Kündigung des Erben des Wohnraummieters nach § 564 Satz 2 BGB nichts aus dem Urteil des V. Zivilsenats vom 5. Juli 2013 (V ZR 81/12, aaO Rn. 15) herleiten. Diese Entscheidung des V. Zivilsenats beruht, wie darin ausdrücklich hervorgehoben ist, auf den Besonderheiten des Wohnungseigentumsrechts.
5. Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Zwar kommt eine Eigenhaftung des Beklagten insoweit in Betracht, als er im Zeitraum vor der Anordnung der Nachlassverwaltung einen fälligen Anspruch des Klägers auf Herausgabe der Mietsache nach der Beendigung des Mietvertrages nicht erfüllt hat. Denn das Unterlassen hat Handlungsqualität, wenn für den Erben eine Rechtspflicht zum Handeln bestand und er hiergegen verstößt (vgl. MünchKommBGB/Küpper, 7. Aufl., § 1967 Rn. 21). Eine solche Pflicht bestand vorliegend in Form der Pflicht zur Rückgabe der Mietsache gemäß § 546 Abs. 1, § 985, § 857 BGB nach wirksamer Beendigung des Mietverhältnisses. Insoweit fehlt es jedoch bisher an ausreichenden Feststellungen des Berufungsgerichts dazu, zu welchem Zeitpunkt das Mietverhältnis geendet hat und der Herausgabeanspruch des Klägers fällig geworden ist. Nach dem im Berufungsurteil in Bezug genommenen Urteil des Landgerichts vom 11. Mai 2016 im Vorprozess ist der Beklagte zur Räumung und Herausgabe der Mietwohnung aufgrund einer Kündigung vom 30. April 2015 verurteilt worden. Feststellungen dazu, zu welchem Zeitpunkt der Herausgabeanspruch fällig geworden ist, sind jedoch bisher nicht getroffen.
Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die nicht entscheidungsreife Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass ein Vorbehalt nach § 780 ZPO nur ausgesprochen werden darf, wenn der Erbe als Prozesspartei wegen einer (reinen) Nachlassverbindlichkeit (§ 1967 BGB) in Anspruch genommen wird, was vorliegend nicht der Fall ist. Denn die Vorschrift des § 780 ZPO soll sicherstellen, dass der Titel bereits regelt, ob sich der Erbe in der Zwangsvollstreckung auf die Beschränkung seiner Haftung (noch) berufen kann (BGH, Urteil vom 11. Juli 1991 – IX ZR 180/90, NJW 1991, 2839, unter I 2 b bb). Wenn der Erbe auch persönlich haftet, ist dies nicht der Fall (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 2013 – V ZR 81/12, aaO Rn. 6 mwN). Im vorliegenden Verfahren kann der Kläger den Beklagten – wie oben unter II. bereits ausgeführt – nur wegen Eigenverbindlichkeiten mit Erfolg in Anspruch nehmen, weil die Nachlassverwaltung angeordnet ist und eine Klage wegen reiner Erblasserschulden nur gegen die Nachlassverwalterin gerichtet werden kann (§ 1984 Abs. 1 Satz 3 BGB)
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