Erbrecht

Zuletzt aktualisiert am 18. April 2024 von Dr. jur. Stephan Seitz

Internationales Erbrecht: Erblasser oder Erbe wohnen im Ausland

5 Minuten sinnvoll investierte Lesezeit
 
  • Für das Erbrecht gelten in der Europäischen Union seit 17.8.2015 neue Regeln.
  • Wer keine letztwillige Verfügung verfasst und im EU-Ausland Vermögenswerte besitzt oder dauerhaft im Ausland lebt, vererbt seinen Nachlass nach dem Recht des Staates seines Aufenthaltsortes im Ausland. Mit dem ausländischen Recht sind für die Erben oft Probleme verbunden. Es besteht also dringend Handlungsbedarf.
  • Um Probleme zu vermeiden, sollten Erblasser mit deutscher Staatsangehörigkeit in einer letztwilligen Verfügung bestimmen, dass ihr Nachlass ausschließlich nach deutschem Erbrecht abgewickelt wird, ohne dass darauf ankommt, wo sie zum Zeitpunkt ihres Ablebens ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten.


Dr. Stephan Seitz
Hier schreibt Dr. jur. Stephan Seitz

Mein Name ist Stephan Seitz, ich bin Jurist und war vor wenigen Jahren selbst Teil einer Erbengemeinschaft. Dabei wurde mir klar: Miterben wollen keinen Streit, sondern eine Lösung. Alles was Sie dafür wissen müssen, schreibe ich hier auf.
 
Bitte beachten Sie meine rechtlichen Hinweise für diese Webseite. Der Inhalt dient ausschließlich der allgemeinen Information und Bildung sowie zur Unterhaltung. Für eine verbindliche Auskunft wenden Sie sich bitte an einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder vergleichbaren Experten auf dem jeweiligen Fachgebiet.

Grundsatz: der gewöhnliche Aufenthaltsort des Erblassers bestimmt welches Erbrecht anzuwenden ist

Europa wächst zusammen. Das europäische Gemeinschaftsrecht erfasst zunehmend auch die privaten Lebensbereiche der EU-Bürger. Nach der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErb-VO Nr. 650/2012) ist künftig allein der gewöhnliche Aufenthaltsort des Erblassers dafür maßgebend, welches nationale Erbrecht für die Abwicklung des Nachlasses anwendbar ist. Dies gilt für Erbfälle ab dem 17. August 2015.

Der gewöhnliche Aufenthaltsort ist wie folgt definiert: Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo sie oder er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass sie oder er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Der gewöhnliche Aufenthalt wird anhand der tatsächlichen Lebensumstände bestimmt, insbesondere durch die Lokalisierung des Schwerpunkts sozialer Beziehungen, sowohl familiär als auch beruflich. Ein Aufenthalt von mehr als sechs Monaten, selbst wenn kurz unterbrochen, wird stets als dauerhaft betrachtet. Daher kann der gewöhnliche Aufenthalt einer Person schon mit einem Umzug an einen neuen Ort beginnen. Dies betrifft Personen, die dauerhaft ins Ausland ziehen sowie jene, die sich temporär im Ausland aufhalten, vor allem wenn der Aufenthalt länger als sechs Monate dauert und der Lebensmittelpunkt tatsächlich verlagert wird. Die Feststellung des gewöhnlichen Aufenthalts kann herausfordernd sein, besonders wenn jemand nicht stetig an einem Ort lebt, sondern abwechselnd für bestimmte Zeiträume in einem anderen Land und dann wieder in Deutschland wohnt, mit engen sozialen Bindungen an beide Orte.

Lebte der Erblasser im Ausland (und zwar auch im Nicht-EU-Ausland), wird sein Nachlass nach dem ausländischen Recht abgewickelt. Für die Erben sind damit meist erhebliche Probleme verbunden. Aus diesem Grunde besteht für potentielle Erblasser, die bereits ein Testament verfasst haben oder ein Testament errichten wollen, unbedingt Handlungsbedarf.

Schätzungsweise sollen ca. 10 Prozent der Erbschaften in der Europäischen Union einen grenzüberschreitenden Bezug haben. Nach Angaben der EU-Kommission fallen jedes Jahr ca. 580.000 Rechtsfälle mit Auslandsbezug an. Es würden dabei 125 Milliarden € vererbt.

Worin liegt das Problem bei grenzüberschreitenden Erbfällen?

EU-Bürger arbeiten und leben zunehmend im europäischen Ausland. Rentner verbringen angesichts der oft geringeren Lebenshaltungskosten ihren Lebensabend auf Mallorca. Viele dieser Bürger besitzen an ihrem neuen Wohnort, aber auch noch am früheren Wohnort in Deutschland, Vermögen. Gleiches gilt für den EU-Ausländer, der beispielsweise von Paris nach Berlin umgezogen ist. Im Todesfall müssen sich die Erben damit auseinandersetzen, nach welchem Recht sie erben und wie sie ihr Erbrecht realisieren. Ob ein in Deutschland errichtetes Testament dann wirksam ist, richtet sich nach dem Recht des Staates, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnliche Aufenthaltsort hatte. Daraus kann sich das Problem ergeben, dass die Erbfolge nicht mehr den Wünschen des Erblassers entspricht und plötzlich eine Person erbt, die gerade nicht hätte erben sollen oder eine Erbquote erhält, die sie nicht hätte erhalten sollen.

Die Problematik zeigt sich beispielhaft am Berliner Testament, in dem sich Ehegatten gegenseitig als Alleinerbe und ihre Kinder nach dem Tod des zuletzt versterbenden Ehegatten als Nacherben eingesetzt haben. Andere EU-Staaten kennen kein Berliner Testament. Ist eine Immobilie in Spanien zu vererben, wäre das Berliner Testament relativ wirkungslos, da es in Spanien rechtlich unverbindlich ist.

Besonders intensiv zeigen sich die Auswirkungen, wenn nicht ein Erbe alleine die Nachfolge antritt, sondern eine Erbengemeinschaft. Häufig ist keiner der Miterben bereit die Kosten dafür aufzubringen, welches Erbrecht denn nun überhaupt anwendbar ist.

Internationales Erbrecht

Häufiges Problem bei Erbfällen mit Auslandsbezug: die Nachlassspaltung

Besaß der Erblasser mit Wohnsitz in Deutschland neben Vermögenswerten in Deutschland ein Ferienhaus in Frankreich, wurde das Vermögen in Deutschland nach deutschem Erbrecht und die Immobilie in Frankreich nach französischem Recht vererbt. Nach deutschem Erbrecht hätte der Ehegatte neben Kindern die Hälfte des Nachlasses und damit auch die Hälfte des Ferienhauses geerbt. In Frankreich hingegen erbt der überlebende Ehegatte nur ein Viertel des Nachlasses. Lässt sich der Erbe in Deutschland einen Erbschein ausstellen, erwächst ihm ein Problem, da die deutsche Erbquote von der Erbquote nach französischem Recht abweicht. In der Praxis kam es zur sogenannten Nachlassspaltung. Danach wurde der Nachlass in einen deutschen Nachlass und einen im Ausland befindlichen Nachlass aufgespalten und nach dem jeweils nationalen Recht abgewickelt. Mit anderen Worten: Ärger ohne Ende.

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Wie werden Erbfälle gelöst, wenn der Erblasser oder Erbe im Ausland wohnen?

Diesem Dilemma widerstreitender nationaler Erbrechtsordnungen will die EU-Erbrechts-Verordnung abhelfen. Sie ist seit dem 17. August 2015 in Kraft und gilt in allen EU-Staaten mit Ausnahme von Dänemark und Irland.

Prinzip 1: Wohnsitz bestimmt das maßgebliche Erbrecht

Hat der Erblasser kein Testament hinterlassen, bestimmt sich die Abwicklung des Nachlasses nicht mehr nach der Staatsangehörigkeit des Erblassers, sondern danach, wo der Erblasser zum Zeitpunkt seines Ablebens seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Damit ist für die Abwicklung des gesamten Nachlasses das Recht des Staates ausschlaggebend, in dem der Betroffene Erblasser zuletzt lebte.

Prinzip 2: Der Erblasser kann per letztwilliger Verfügung bestimmen, welches Erbrecht zur Anwendung kommen soll. Eine Person mit deutscher Staatsangehörigkeit kann also anordnen, dass deutsches Erbrecht gelten soll.

Die EU-Erbrechts-Verordnung hört sich kompliziert an. Tatsächlich beinhaltet sie eine entscheidende Vereinfachung. Sie trifft im Grunde nur eine Regelung, falls der Erblasser keine letztwillige Verfügung hinterlassen hat.

Wer hingegen als deutscher Staatsangehöriger Vermögenswerte im Ausland besitzt oder dauerhaft seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt hat, kann in einem Testament bestimmen, welches nationale Erbrecht für den Fall seines Todes die Abwicklung des Nachlasses bestimmt. Mit anderen Worten: Wünscht der Erblasser, dass sein Nachlass nach deutschem Erbrecht abgewickelt wird, braucht er in einer letztwilligen Verfügung nur zu bestimmen, dass deutsches Recht maßgebend sein soll. Dann wird sein gesamter Nachlass, egal wo er sich befindet, nach deutschem Erbrecht abgewickelt.

Was bedeutet gewöhnlicher Aufenthalt?

Gewöhnlicher Aufenthalt und Wohnsitz ist der Ort, an dem sich der Erblasser in der Absicht aufhielt, dauerhaft zu leben. Nach der EU-Erbrechts-Verordnung ist eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod und im Zeitpunkt des Todes vorzunehmen. Dabei sind alle relevanten Tatsachen zu berücksichtigen, insbesondere die Dauer und Regelmäßigkeit des Aufenthaltes in dem betreffenden Staat sowie die damit zusammenhängenden Umstände und Gründe. In den meisten Fällen dürfte der letzte gewöhnliche Aufenthaltsort mit dem letzten Wohnsitz übereinstimmen, den der Erblasser beim örtlich zuständigen Einwohnermeldeamt angemeldet hat.

Praxis-Tipp: Grenzgänger, Mallorca-Rentner, Personen ohne konkreten Wohnsitz, Globetrotter oder Montagearbeiter, bei denen es schwierig sein könnte, den letzten gewöhnlichen Aufenthalt nachzuweisen, sollten rein vorsorglich in einer letzten Verfügung klarlegen, welches nationale Erbrecht für den Fall ihres Ablebens zur Anwendung kommen soll. Es kommt dann nicht darauf an, wo sie versterben.
Wechselt eine Person öfter den Wohnsitz, wechselt nach der Erbrechts-Verordnung auch das anwendbare Erbrecht. Es erscheint in diesem Fall besonders ratsam, in einer letztwilligen Verfügung eine Rechtswahl vorzunehmen.

Europäisches Nachlasszeugnis

Mit der EU-Erbrechts-Verordnung wird auch das Europäische Nachlasszeugnis eingeführt. Es soll die Abwicklung grenzüberschreitender Erbfälle erleichtern. Es entspricht dem deutschen Erbschein und soll es Erben und Testamentsvollstreckern erleichtern, ihr Erbrecht oder ihre Vollstreckungsbefugnis in einem anderen Mitgliedstaat nachzuweisen. Damit wird verhindert, dass der deutsche Erbschein im Ausland nicht anerkannt wird.

Stellt ein EU-Staat ein Nachlasszeugnis aus, in dem eine Person als Erbe anerkannt wird, ist das Zeugnis in der gesamten Europäischen Union anzuerkennen. Der deutsche Erbschein wird durch das Nachlasszeugnis jedoch nicht verdrängt. Besitzt der Erblasser lediglich Vermögen in Deutschland, reicht den Erben der Erbschein. Zuständig zur Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses ist das Gericht, in dessen Bezirk der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

Internationale Erbfälle: Empfehlungen für die Praxis

  • Wenn Sie im Ausland Vermögenswerte besitzen oder als deutscher Staatsangehöriger im Ausland dauerhaft leben und Ihren Nachlass nach deutschem Erbrecht abgewickelt wissen möchten, sollten Sie ein Testament errichten und darin ausdrücklich bestimmen, dass für die Abwicklung Ihres Nachlasses deutsches Erbrecht maßgebend sein soll.
  • Achten Sie darauf, dass Sie Ihr Testament von Hand schreiben, mit Ort und Datum versehen und persönlich unterschreiben. Nur dann ist es formgültig errichtet.
  • Sind Sie Erbe und gehören Vermögenswerte im Ausland zum Nachlass, sollten Sie zum Nachweis Ihrer Erbenstellung ein Europäisches Nachlasszeugnis beantragen.

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